Tschechien
Parlamentswahl in Tschechien begonnen
20.10.2017
Protestbewegung ANO von Milliardär Andrej Babis tritt als Favorit an.
In Tschechien haben am Freitagnachmittag die Parlamentswahlen begonnen. Über acht Millionen Tschechen sind aufgerufen, bis zum morgigen Samstagnachmittag ihre Stimme für eine von 30 Parteien und Bewegungen - einer Rekordzahl - abzugeben.
Als klarer Favorit der Abstimmung tritt die mitregierende Protestbewegung ANO des Milliardärs und ehemaligen Finanzministers Andrej Babis an, während die Sozialdemokraten (CSSD) des Premiers Bohuslav Sobotka mit Verlusten rechnen müssen. Babis, der von den Medien mit dem italienischen Ex-Premier Silvio Berlusconi verglichen wird, hat erklärt, Tschechien wie "eine Firma" führen zu wollen. Er hat den etablierten Parteien den Kampf angesagt, kämpft gegen Korruption und steht für einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik.
Ob der 63-jährige gebürtige Slowake Babis auch im Fall seines Wahlsieges schließlich die neue Regierung tatsächlich führen wird, ist aber unklar. Babis wird nämlich eines EU-Subventionsbetruges verdächtigt, weswegen er seit einigen Tagen strafrechtlich verfolgt wird. Andere Parteien, darunter auch die CSSD, behaupten in diesem Zusammenhang, sie würden keine Koalition mit einem Politiker eingehen, gegen den polizeilich ermittelt wird. Das könnte für Babis zu einem Hindernis werden, weil sein erwarteter Wahlsieg nicht so groß werden dürfte, dass ANO allein regieren könnte.
Zeman signalisiert Bereitschaft
Bisher galt, dass Babis entschlossen ist, das Amt des Premiers zu übernehmen. Staatspräsident Milos Zeman signalisierte bereits seine Bereitschaft, ihn zum Regierungschef zu ernennen und mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Spekuliert wird aber auch über eine Ersatzvariante, dass ein anderer ANO-Politiker zum Premier ernannt würde, etwa der bisherige Vizepremier und Umweltminister Richard Brabec, der als Babis-treuer Mann gilt.
Die letzten Wählerumfragen deuteten auch an, dass zwei Parteien - christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) von Vizepremier Pavel Belobradek und TOP 09 von Karel Schwarzenberg (Ehrenvorsitzender) - um den Einzug ins Abgeordnetenhaus bangen müssen, weil sie um die fünfprozentige Wahlhürde lagen. Die KDU-CSL zog Kritik auf sich, nachdem ihre Spitzenvertreter als erste Mitglieder der tschechischen Regierung das traditionelle Pfingsttreffen der Sudetendeutschen besucht hatten. Für TOP 09 scheint ihr im Vergleich zu Schwarzenberg unpopulärer Vorsitzender Miroslav Kalousek ein Problem zu sein.
Sozialisten wollen von Anti-Stimmung profitieren
Demgegenüber können die populistische und islamfeindliche Partei Freiheit und Direkte Demokratie (SPD) von Tomio Okamura und die Piraten-Partei auf den Einzug ins Unterhaus hoffen. Die SPD will von der Anti-Flüchtlingsstimmung in Tschechien profitieren.
Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus finden traditionell in einer Runde statt, die auf zwei Tage aufgeteilt ist. Die Wahllokale haben am Freitag um 14.00 geöffnet und schließen um 22.00 Uhr. Am Samstag wird die Wahl von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr fortgesetzt. Dann beginnt die Stimmenauszählung. Es werden keine Exit Polls sofort nach Schließung der Wahllokale erwartet. Die ersten Ergebnisse werden erst im Verlauf des Samstagnachmittags oder später erwartet. Diese werden schon auf ausgezählten Wahlzettel basieren.