Zulassungen in Sichtweite
Penninger: Corona-Impfstoff kommt in wenigen Wochen
02.11.2020Wie einige andere Wissenschafter glaubt auch Penninger, dass erste Impfstoff-Zulassungen in wenigen Wochen ins Haus stehen werden.
Bis Weihnachten hofft der Genetiker Josef Penninger auf aussagekräftige Daten zu dem in Wien entwickelten SARS-CoV-2-Medikamentenkandidaten "APN01". Derzeit rekrutiere man vor allem in Russland Patienten mit einem relativ fortgeschrittenen, schweren Covid-19-Verlauf für die Teilnahme an der Phase-II-Studie. Erprobt werde der Wirkstoff, der auf das Aussperren des SARS-CoV-2-Virus setzt, u.a. aber auch in Österreich, wie der Forscher am Montag erklärte.
Das neue Coronavirus nutzt den sogenannten ACE2-Rezeptor, um in menschliche Zellen zu gelangen. Der gebürtige Oberösterreicher, Penninger, begann bereits vor 22 Jahren an ACE2 zu arbeiten. Das führte zu biotechnologisch hergestelltem menschlichen Angiotensin Converting Enzym 2 (rhACE2), das der mittlerweile in Kanada tätige Mitbegründer der Wiener Biotechnologiefirma Apeiron und Kollegen zum Medikament-Kandidaten mit dem Namen "APN01" weiterentwickelte.
Wie einige andere Wissenschafter glaubt auch Penninger, dass erste Impfstoff-Zulassungen in wenigen Wochen ins Haus stehen werden - auch weil es hier nachvollziehbaren "politischem Druck" gebe. In Zukunft werde es überdies verschiedene Covid-19-Medikamente geben, "die in verschiedenen Stadien halbwegs funktionieren". Das neue Coronavirus sei jedenfalls ein "wissenschaftliches Lebensprojekt", so der Forscher.
Für die Pharmig-Vizepräsidentin, Astrid Müller, werden die aktuellen Entwicklungen die gesamte Szene von der Grundlagenforschung bis zur Pharmaindustrie nachhaltig verändern: "Ich gehe davon aus, dass diese Art der intensiven Zusammenarbeit aufrecht bleibt." Man dürfe aber "die Learnings aus der Krise" nicht vergessen und sich weiter vor Augen halten, dass Geschwindigkeit bei Entwicklungen "nie auf Kosten der Sicherheit und Wirksamkeit" gehen dürfen, so die Geschäftsführerin von Biogen Österreich. Sie hoffe in den nächsten Monaten auf eine gute Balance der Hoffnung und des Optimismus. Es müsse nämlich auch klar sein, dass mit einem Impfstoff "das Virus ist nicht weg ist", sagte Müller.
Momentan laufe eine "Phase-II-b-Doppelblindstudie" mit rund 200 Patienten mit einer löslichen Form von "APN01", bei der untersucht wird, ob das Präparat "therapeutisch wirksam ist", so der Leiter des Life Sciences Institute (LSI) der University of British Columbia in Vancouver (Kanada), der am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien noch ein Labor führt. Trotz des Zeitdrucks aufgrund der Pandemie brauche es nun vor allem "saubere Studien", die etwaige Effekte klar belegen.
"Es hilft keinem, wenn man schlechte Studien schnell in die Öffentlichkeit hinauswirft", so Penninger. Viele auch mit hohen Erwartungen, was ihre Wirksamkeit betrifft, gestarteten etablierte Medikamente hätten sich in genau durchgeführten Untersuchungen nämlich als nicht oder wenig wirksam entpuppt. Hier sei also noch "viel zu tun".
Die Idee im Zusammenhang mit Covid-19 ist, dass der Wirkstoff die Andockstellen des Erregers besetzt, und so "die Tür für das neuen Coronavirus blockiert", wie Peninger bei einem Pressegespräch im Vorfeld eines Symposiums mit dem Titel "Pharma facing the future" des Verbandes der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) sagte. Dieser Ansatz erscheine ihm als "rationalster überhaupt", um das Fortschreiten schwererer Verläufe einzudämmen. Bereits kurz nach Beginn der Pandemie begann Apeiron mit internationalen Partnern mit der Erprobung seines Wirkstoffes als Covid-19-Medikament, das auch dabei helfen soll, die Organe zu schützen. Wichtige Aufschlüsse habe eine kürzlich im Fachmagazin "The Lancet Respiratory Medicine" veröffentlichte Fallstudie gebracht, wo einer Patientin an der Klinik in Wien-Favoriten mit dem Wirkstoff geholfen wurde.
In Bezug auf "APN01" seien noch Fragen dazu zu klären, ab wann eine Verabreichung Sinn macht oder wie sich die richtige Dosierung gestaltet. Neben Russland und Österreich läuft die Studie, die sich auf Patienten schweren Covid-19-Verläufen konzentriert, die aber noch nicht intubiert wurden, auch in Dänemark und Deutschland. Falls es die Datenlage dann erlaubt, werde man sich voraussichtlich um eine Schnellzulassung bemühen. Im nächster Schritt gelte es, sich auch überlegen, ob zum Beispiel den Wirkstoff zum Inhalieren schon in früheren Erkrankungsstadien sinnvoll eingesetzt werden kann. Dann beginne jedoch wieder ein "neues Spiel" was die Zulassung betrifft.
Im Rahmen der ebenfalls von Penninger mitbegründeten Wiener Firma JLP Health arbeite man mit weiteren europäischen Partnern im Rahmen des von der EU geförderten Projekts "MAD-CoV-2" auch an der weitergehenden Suche nach "Schwachstellen von Viren", sagte Penninger. Auf Basis einer neuen genetischen Such-Technologie könne man sozusagen "den einen gesuchten Fisch im ganzen Mittelmeer heraussuchen, den wir finden wollen". In dem "Industrie-Grundlagenforschungsprojekt" versuche man auch über SARS-CoV-2 hinaus zu denken und Angriffspunkte gegen künftige Bedrohungen durch andere Viren zu finden. Es gehe darum, "etwas aktiv in der Schublade zu haben, damit so etwas wie Covid-19 uns nicht mehr passieren kann".