Elite ausgelöscht
Pilot von Präsident in Absturz getrieben?
10.04.2010
Offenbar trieb der Präsident den Piloten zur fatalen Fehlentscheidung.
Tragödie in Russland: Ein Flugzeug mit dem polnischen Präsidenten Kaczynski und einem Dutzend Offizieller ist abgestürzt. Alle sind tot.
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Moskau. Ganz Polen steht unter Schock: Präsident Lech Kaczynski (60) und seine Frau Maria sind Samstag früh bei einem Flugzeugabsturz in Russland getötet worden. Mit an Bord der Tupolew Tu-154 auf dem Weg von Warschau nach Smolensk waren auch Dutzende Mitglieder einer offiziellen Delegation (siehe Story rechts). Beim Absturz gab es keine Überlebenden, 96 Menschen sind tot.
Um 10.50 Uhr Ortszeit stürzte Flugzeug ab
Präsident
Kaczynski und die hochrangige Staatsdelegation waren auf dem Weg zu einer
inoffiziellen Gedenkveranstaltung von Katyn. Zu dieser symbolträchtigen
Feier kam es nicht.
Kurz vor 10.45 Uhr Ortszeit ist die 26 Jahre alte, aber generalüberholte Maschine in Turbulenzen geraten. Rund um Smolensk herrschte zu diesem Zeitpunkt Schlechtwetter und dichter Nebel. Die Luftbehörden hatten dem Piloten sogar geraten, nach Moskau oder Minsk weiterzufliegen.
Ex-Militär: „Pilot hat Druck für Landung gespürt“
Doch
der Pilot entschied sich zum Weiterflug – eine Entscheidung mit verheerenden
Folgen. Der Druck, den Präsidenten rechtzeitig zur wichtigen Feier zu
fliegen, war offensichtlich allgegenwärtig (siehe auch Kasten unten). „Hier
hat der Pilot den Druck gespürt, im Bewusstsein dessen, wie wichtig die
Mission der Passagiere des Flugzeugs ist. Er hat versucht, um jeden Preis zu
landen“, sagte Militärexperte Tomasz Szulc im TV.
Der Nebel lichtete sich nicht. Mindestens drei Mal versuchte er eine Notlandung – jedoch ohne Erfolg. Minuten später, um 10.50 Uhr Ortszeit kollidierte das Passagierflugzeug mit mehreren Bäumen und stürzte zwei Kilometer südlich von Smolensk ab. Das Flugzeug fing Feuer – alle Insassen waren sofort tot.
Den Rettungsteams bot sich ein Bild des Schreckens: Überall brennende Wrackteile, Rauch, Feuer. Vom ersten Moment an war klar, dass niemand dieses schwere Unglück überleben konnte. Kremlchef Dmitri Medwedew setzte eine Untersuchungskommission unter Leitung von Regierungschef Wladimir Putin ein. Die wichtigsten Fragen, die sich den Experten stellen: Warum ist der Pilot trotz Schlechtwetters weiter in Richtung Smolensk geflogen? War die Maschine defekt?
In Polen eine Woche lang Staatstrauer
In Warschau legten am
Samstag Hunderte Menschen Blumen und Kerzen beim Präsidentenpalast nieder.
Es herrscht eine Woche lang Staatstrauer. Ex-Präsident Lech Walesa: „Die
Elite Polens ist tot.“
Bei der Gedenkstätte in Katyn herrschte Fassungslosigkeit. Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski übernahm vorerst die Geschäfte von Kaczynski. Die für Oktober geplanten Wahlen sollen im Juni stattfinden.
Pilot hätte nicht landen dürfen
Schon am Tag der
Katastrophe haben sich unzählige Luftfahrtexperten zum Unglück gemeldet.
Völlig unklar ist nämlich, warum der Pilot der Tupolew Tu-154 trotz dichten
Nebels und Warnung durch die russischen Luftbehörden weiter an seiner Route
festhielt.
Er flog nicht wie empfohlen nach Moskau oder Minsk weiter, sondern direkt nach Smolensk in das Unwetter. Experten sind sicher, dass der Druck auf den Piloten sehr groß war, rechtzeitig zu landen. Die inoffizielle Gedenkfeier für die Katyn-Opfer war für 11 Uhr angesetzt – ein Umweg über Moskau war zeitlich nicht unmöglich.
Kaczynskis Mission, bei den Feiern Flagge zu zeigen, war ein halbes Jahr vor den Wahlen zu wichtig. Er bestand offenbar darauf, dass die Maschine weiterfliegt. 96 Menschen mussten mit dem Tod bezahlen.