Sie ist wohl die bekannteste Parlamentsabgeordnete Polens - Anna Grodzka könnte nun ins Parlamentspräsidium vorrücken (Von Eva Krafczyk/dpa)
Vor drei Jahren bestätigte ein polnisches Gericht, was Anna Grodzka schon immer gefühlt hatte: Sie ist eine Frau, geboren in einem männlichen Körper. Das Urteil machte den Weg frei zur operativen Geschlechtsumwandlung. Als die Psychologin und Leiterin einer Selbsthilfe-Organisation 2011 ausgerechnet im katholisch-konservativen Krakau für die linke Partei Palikot-Bewegung (RP) für einen Sitz im polnischen Parlament kandidierte, glaubten viele an einen Gag des als Politclown berüchtigten Parteichefs Janusz Palikot. Doch Grodzka wurde mit starkem Vorsprung vor anderen Kandidaten gewählt.
Nun könnte Grodzka sogar ins Parlamentspräsidium gewählt werden. Die RP hat der von der Partei aufgestellten Vizepräsidentin Wanda Nowicka kürzlich das Vertrauen entzogen, nachdem bekannt wurde, dass alle Mitglieder des Präsidiums im vergangenen Jahr eine saftige Prämie von 40.000 Zloty (etwa 10.000 Euro) für ihre Arbeit erhalten hatten. Dies weckte den Neid und Argwohn von Abgeordneten, Kollegen und Medien. An Nowickas Stelle, so Janusz Palikot, soll Grodzka treten.
Zu einer Entscheidung kann es frühestens in der nächsten Plenarsitzung des Sejm am 20. bis 22. Februar kommen, doch schon am Montag reichte die RP bei der Parlamentsversammlung den Antrag auf eine Abwahl Nowickas ein. Nicht erst seit der gut zehn Tage zurückliegenden Debatte über ein Partnerschaftsgesetz ist klar, dass bei einer Debatte über eine Transsexuelle im Präsidium einmal mehr ein vergiftetes Diskussionsklima im Sejm droht.
Denn Grodzka, die eigentlich Wert auf bodenständiges Auftreten legt und schrille oder laute Töne vermeidet, ist nicht nur eines der bekanntesten, sondern auch umstrittensten Mitglieder des Parlaments. Für die polnische Schwulen- und Lesbenfigur ist sie eine Symbolfigur, ähnlich wie der offen schwule Abgeordnete Robert Biedron, der ebenfalls für die Palikot-Bewegung im Parlament ist.
Doch aus der rechtskonservativen Szene innerhalb und außerhalb des Parlaments schlägt Grodzka immer wieder Häme und Hass entgegen. Einige der nationalkonservativen Abgeordneten legen großen Wert darauf, sie in den Parlamentskorridoren als "Herr Kollege" zu grüßen und ihr jegliche Weiblichkeit abzusprechen.
Vor allem Krystyna Pawlowicz, Abgeordnete der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), tut sich mit giftigen Bemerkungen hervor. In der Debatte über ein Partnerschaftsgesetz hatte die kinderlose Abgeordnete homosexuellen Paaren einen besseren rechtlichen Status mit der Begründung verweigert, sie leisteten keinen Beitrag zur Zukunft der Gesellschaft und lebten "wider die Natur". Mit Blick auf Grodzka hetzte sie: "Es braucht schon mehr als ein paar Hormone, um eine Frau zu sein." Grodzka habe "das Gesicht eines Boxers", ätzte Pawlowicz, die seitdem sowohl mit Zuspruch als auch mit beißender Kritik überschüttet wird.
"Ich sehe kein Problem, warum Frau Grodzka keine Funktion im Sejm ausüben sollte", betonte dagegen der liberalkonservative Regierungschef Donald Tusk, der auch das Partnerschaftsgesetz so bald wie möglich wieder ins Parlament bringen will. "Sexualität hat schließlich nichts mit Qualifikation zu tun."
Grodzka selbst, deren Wahlkreisbüro regelmäßig verwüstet wird, will ihre Kandidatur nicht als Provokation sehen. "Was ist provokant - dass ich einmal ein Mann war und jetzt lebe, wie ich mich immer fühlte, als Frau? Für manche Leute sind vielleicht Linkshänder oder Rothaarige provokant", sagte sie am Montag in einem Interview der "Gazeta Wyborcza".