Nach Angriff

Putin kündigt in Wutrede "mehr Zerstörung" an

Teilen

Nach einem Drohnenangriff auf die russische Millionenstadt Kasan an der Wolga hat Kremlchef Wladimir Putin Kiew am Sonntag Vergeltung angedroht.

"Wer auch immer versucht, etwas bei uns zu zerstören, wird mit einem Vielfachen der Zerstörungen bei sich konfrontiert und bedauert noch, was er in unserem Land versucht hat", sagte der russische Präsident bei einer vom Fernsehen übertragenen Videokonferenz.

Die Behörden der russischen Region Tatarstan hatten Samstag früh einen "massiven Drohnenangriff" auf die rund tausend Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegende Stadt Kasan gemeldet. Das russische Verteidigungsministerium warf Kiew vor, "zivile Infrastruktur" in Kasan ins Visier genommen zu haben. Laut der Stadtverwaltung von Kasan lösten die Angriffe in mehreren Stadtteilen Brände aus. Opfer wurden nicht gemeldet.

Sechs ukrainische Drohnen waren demnach in Wohnhäuser Kasans eingeschlagen, eine weitere traf ein Industrieobjekt. Offiziellen Angaben nach gab es bei dem Angriff keine Verletzten. Medien schrieben von drei Personen, die Schnittwunden durch zersplitterte Fensterscheiben erlitten hätten.

Ukraine schweigt

Kasan befindet sich mehr als 1000 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Obwohl sich die Ukraine bisher offiziell nicht zu der Attacke bekannt hat, gilt sie als deren Reaktion auf einen russischen Raketenangriff gegen Kiew. Am Sonntag warfen Moskau und Kiew einander gegenseitige Angriffe in der Nacht vor. Das ukrainische Militär zerstörte nach eigenen Angaben 52 russische Drohnen. In der westrussischen Region Orjol geriet nach einem ukrainischen Drohnenangriff ein Tanklager in Brand.

Zu den nächtlichen Attacken ließ das ukrainische Militär auf Telegram wissen, insgesamt hätten die russischen Streitkräfte 103 Drohnen auf Ziele in der Ukraine gestartet. Eine Drohne habe den ukrainischen Luftraum in Richtung Belarus verlassen, 44 Drohnen habe es aus den Augen verloren, so das ukrainische Militär. Zum Brand in der westrussischen Region Orjol wiederum schrieb Gouverneur Andrej Klytschkow auf Telegram: "Dank der schnellen Reaktion ist es zum Glück gelungen, Folgen des Angriffs zu verhindern - der Brand wurde schnell lokalisiert und ist inzwischen völlig gelöscht". Opfer und schwere Schäden gebe es nicht, versicherte er.

Laut Klytschkow schoss die russische Flugabwehr rund 20 Drohnen ab, die vornehmlich auf Objekte der Treibstoff- und Energieversorgung zielten. Russlands Verteidigungsministerium meldete den Abschuss von insgesamt 42 Drohnen in den Gebieten Orjol, Rostow, Brjansk, Kursk und Krasnodar. Die Gouverneure von Rostow und Brjansk teilten mit, bei den jüngsten Drohnenangriffen habe es weder Opfer noch Schäden gegeben.

Russland mit Erfolgen an der Front

Das Tanklager nahe der Ortschaft Stalnoi Kon wurde bereits vor einer Woche attackiert. Kiews Militär begründete den Angriff damit, dass die Reservoirs der Versorgung der russischen Armee dienen. Das Lager versorgt aber auch die Ölleitung Druschba nach Europa. Zudem vermeldete das russische Verteidigungsministerium weitere Erfolge an der Front. Demnach eroberten die Truppen das Dorf Losowa in der nordöstlichen Region Charkiw und das Dorf Krasnoje in der Region Donezk. Der Ort, der auf ukrainisch Sonziwka heißt, liegt in der Nähe der Stadt Kurachowe, mit deren Eroberung die russische Armee ihrem Ziel der kompletten Besetzung der Region Donezk erheblich näher rücken würde.

Moskau hat laut eigenen Angaben in diesem Jahr mehr als 190 ukrainische Dörfer und Städte erobert, während die ukrainische Armee ins Hintertreffen geraten ist. Russland hat seinen Vormarsch in der Ostukraine in den vergangenen Monaten noch einmal verstärkt, vor allem angesichts der bevorstehenden Amtsübernahme von Donald Trump als US-Präsident. Der Republikaner hatte angekündigt, den Ukraine-Konflikt schnell zu beenden, ohne konkrete Pläne zu nennen.

Am Sonntag erhob Kiew zudem schwere Vorwürfe gegen die russische Armee. Russische Soldaten hätten gefangene ukrainische Soldaten hingerichtet, die sich zuvor ergeben hätten, erklärte der ukrainische Ombudsmann für Menschenrechte, Dmytro Lubinez, im Onlinedienst Telegram. Er bezog sich auf ein von einer ukrainischen Einheit veröffentlichtes Drohnenvideo, auf dem zu sehen sei, wie russische Soldaten die ukrainischen Gefangenen aus nächster Nähe erschossen.

Mögliche Kriegsverbrechen

Die Echtheit der Bilder konnten von unabhängiger Seite nicht verifiziert werden. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, würde es sich um ein Kriegsverbrechen handeln. Die Ukraine hat der russischen Armee seit Kriegsbeginn bereits mehrfach Kriegsverbrechen vorgeworfen. Unter anderem wirft sie den russischen Behörden vor, aus den besetzten Gebieten in der Ukraine tausende Kinder aus Heimen oder anderen staatlichen Einrichtungen nach Russland verschleppt zu haben. Wegen dieses Vorwurfs liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Putin vor.

Zu seinem letzten Besuch vor dem Machtwechsel in Washington reiste der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, nach Kiew. "Bill Burns hat der Ukraine seinen letzten Besuch als CIA-Direktor abgestattet", gab der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag im Onlinedienst Telegram bekannt.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 sei er häufig mit Burns zusammengetroffen, fügte der Präsident hinzu. "Er und ich hatten während dieses Krieges viele Treffen und ich bin dankbar für seine Hilfe", erklärte Selenskyj. "Normalerweise werden solche Treffen nicht öffentlich bekannt gegeben", fügte er hinzu. Die USA sind im Krieg gegen Russland derzeit der wichtigste Unterstützer der Ukraine - unter Trump könnte sich dies ändern. Der Republikaner hatte die Ukraine-Hilfen seines Landes mehrfach kritisiert.

Österreich überlegt noch mehr Unterstützung

Der Generalsekretär im Wiener Außenministerium (BMEIA), Nikolaus Marschik, erörterte laut Ukrinform im Kiewer Präsidialamt eine mögliche Ausweitung der österreichischen Unterstützung für die Ukraine. Wie die ukrainische Nachrichtenagentur am Samstagabend unter Berufung auf den Pressedienst des ukrainischen Präsidenten Selenskyj meldete, traf Marschik den stellvertretenden Leiter des Präsidialamts, Ihor Schowka.

Dieser dankte Österreich für die humanitäre und finanzielle Hilfe, die der Ukraine geleistet werde, und dafür, dass es ukrainischen Bürgern vorübergehend Schutz gewähre. Zudem sei als Fortsetzung des Gesprächs von Selenskyj anlässlich der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre Dame mit Bundeskanzler Karl Nehammer Anfang Dezember in Paris die weitere Unterstützung bei der humanitären Minenräumung und die Beteiligung österreichischer Unternehmen an Wiederaufbauprojekten besprochen worden, hieß es.

Beitrittsverhandlungen rasch voranbringen

Marschik habe der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt und die Bereitschaft bekundet, die Ukraine bei den EU-Beitrittsverhandlungen rasch voranzubringen. Schowka lobte die Entscheidung des OMV-Konzerns, seinen Vertrag mit Gazprom über die Lieferung von russischem Gas nach Österreich zu kündigen. "Dies ein wichtiger Beitrag zur Unabhängigkeit Europas von russischen Energieträgern", betonte er laut Ukrinform.

Unterdessen schloss der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht aus, dass Russland in wenigen Jahren NATO-Territorium angreifen könnte. "Wenn wir die Bedrohung ignorieren, weil sie uns Unbehagen bereitet, wird sie nicht kleiner, sondern größer", sagt er den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut Vorausbericht. Mit einem militärischen Angriff Russlands auf die NATO sei aktuell nicht zu rechnen. Putin habe aber konsequent auf Kriegswirtschaft umgestellt.

Russland produziere in wenigen Monaten mehr Waffen und Munition als alle Länder der Europäischen Union zusammen in einem Jahr. "Ab 2029 oder 2030 könnte Putin so aufgerüstet haben, dass Russland zu einem Angriff auf die NATO in der Lage wäre." Der Minister warnte: "Wir müssen auch damit rechnen, dass Putin in den nächsten Jahren durch einen Vorstoß an der ein oder anderen Stelle des Bündnisgebiets testen könnte, wie geschlossen die NATO wirklich ist."

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten