Es gehe dem Kremlchef darum, Präsident al-Assad an der Macht zu halten.
Am Tag nach dem überraschenden Abzugsbefehl von Präsident Wladimir Putin bringt die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" das Gefühl der meisten Russen auf den Punkt. "Nach Hause!" titelte das Blatt auf der ersten Seite, und auf einem Foto reckt ein Bomberpilot den linken Daumen in die Höhe. Nach Hause aus Syrien, als gefühlter Sieger - und nicht wie 1989, als die Sowjet-Armee glanzlos aus Afghanistan abzog.
Nach Hause nach Russland, am fünften Jahrestag des Kriegsausbruchs in Syrien, das heißt für viele auch: Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts und auf ein Ende des Flüchtlingszustroms nach Europa. Wiederholt wurde Moskau vorgeworfen, mit seinen Bomben in dem Bürgerkriegsland Menschen in die Flucht zu treiben.
Lichtblick oder Trick?
Auf die erste Militäraktion Russlands außerhalb der ehemaligen Sowjetunion seit Ende des Kalten Krieges habe die Bevölkerung stets skeptisch geschaut, meint der Armee-Experte Pawel Felgenhauer. Die Furcht vor einem Anschlag wie 2010 in der Moskauer Metro, als islamistische Selbstmordattentäterinnen 40 Menschen töteten, sei immer spürbar gewesen. Der Teilabzug sei für viele Russen daher eine Erleichterung.
Doch ist Putins Befehl wirklich ein Lichtblick in dem Krieg mit mindestens 250.000 Toten - oder nur ein Trick? Immer wieder zeigte der Präsident, wie wichtig er den Konflikt nimmt. Ausdrücklich grüßte er die "willensstarken" Soldaten in Syrien in seiner Neujahrsansprache. Der Einsatz in dem Bürgerkriegsland sei für Putin "ein Meilenstein auf dem Weg zu einem neuen Russland", sagt Vizeregierungschef Dmitri Rogosin.
Überraschung
Mit seinem Befehl für einen Teilabzug überrascht Putin erneut die internationale Gemeinschaft - wie seinerzeit mit dem Befehl zum Angriff. Der Oberbefehlshaber lässt die Bombe beim Kriegsrat mit Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu im Kreml platzen. Etwas monoton verliest Schoigu die Ergebnisse der russischen Luftschläge in Syrien. Demnach flogen die Kampfjets seit Ende September rund 9.000 Angriffe, und Terrorgruppen wie der "Islamischer Staat" (IS) seien geschwächt worden.
Auf den Vorwurf des Westens und der syrischen Opposition, Moskau treffe mit den Attacken auch zivile Ziele wie etwa Krankenhäuser, geht Schoigu nicht ein. Auch Lawrow spricht nur von Erfolgen. Die Intervention habe beigetragen, dem Friedensprozess eine Chance zu geben, sagt der Minister. Billig ist das nicht: Moskauer Zeitungen zufolge kostet jeder Kriegstag den Kreml etwa drei Millionen Euro.
Kritik aus dem Westen
Für sein Engagement war Russland vom Westen scharf kritisiert worden. "Der Westen sollte anerkennen, dass Putin seine Ziele in Syrien erreicht hat", sagt aber der Moskauer Politologe Sergej Alexaschenko der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe dem Kremlchef vor allem darum, Präsident Bashar al-Assad an der Macht zu halten. Mit der Intervention habe Putin seinem Verbündeten zu militärischer Stärke verholfen und einen gewaltsamen Sturz unwahrscheinlicher gemacht, meint Alexaschenko. Vor allem sei Russland international wieder ein wichtiger Partner, trotz etwa des andauernden Ukraine-Konflikts.
Auch nach dem am Dienstag begonnenen Teilabzug bleibt Russland in Syrien militärisch präsent. Mindestens 1.000 Soldaten sollen den Stützpunkt Tartus und den Flugplatz Hmejmim (Hamaimim) schützen. Westliche Journalisten berichten von einem zuletzt massiven Ausbau beider Militärbasen. Und Russland macht deutlich, dass es seine Luftangriffe fortsetzen will. Eine Rückkehr bereits abgezogener Soldaten bei einer Verschärfung der Lage schließt der Kreml ebenfalls nicht aus.
Signal an Damaskus
Die ersten Kampfjets aus Syrien trafen am Dienstag in Russland ein. Vor der Landung auf einer Militärbasis bei Woronesch bildeten sie eine Paradeformation. "Der Abzug ist auch ein Signal Moskaus an Damaskus: Wir machen nicht die ganze Arbeit für euch", sagt der Experte Alexej Malaschenko. Politisch bleibe eine Aufgabe: Syrien vor dem Zerfall zu bewahren. "Hier ist die internationale Gemeinschaft gefragt", meint der Politologe vom Carnegie-Zentrum in Moskau.