Spanien

Rajoy übernimmt Amtsgeschäfte Puigdemonts

28.10.2017

Abgesetzte Ex-Regierungschef zeigte sich weiter kämpferisch - Zunächst keine größeren Proteste.

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© APA/AFP/POOL/JUAN CARLOS HIDALGO
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Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat am Samstag offiziell die Amtsgeschäfte des von Madrid abgesetzten katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont übernommen. Auch die übrigen Mitglieder der nach Unabhängigkeit strebenden Regierung in Barcelona wurden mit der offiziellen Veröffentlichung im Amtsblatt für abgesetzt erklärt. Die Übernahme verlief zunächst ohne größere Proteste.
 
Der spanische Senat hatte mit der Billigung des nie zuvor angewandten Verfassungsartikels 155 am Vortag den Weg für die Entmachtung der Regierung und für Neuwahlen am 21. Dezember freigemacht.
 
Puigdemont trat am Samstagmittag erstmals in der Stadt Girona vor die Kameras und erklärte: "Unser Wille ist es, weiter zu arbeiten, auch in Kenntnis der aktuellen Schwierigkeiten." In den spanischen Medien wurde die Rede so interpretiert, dass er der Amtsenthebung nicht Folge leisten wolle. Er rief die Bevölkerung zugleich zum friedlichen Widerstand gegen die von Madrid beschlossenen Zwangsmaßnahmen auf. Zugleich kündigte er die Fortsetzung der Unabhängigkeitsbestrebungen an und rief zur "Gründung eines freien Landes" auf.
 
Rajoys konservative Volkspartei Partido Popular (PP) warf Puigdemont in einer ersten Reaktion eine "grenzenlose Verantwortungslosigkeit" vor. Die Regierung reagierte dagegen betont zurückhaltend. In Regierungskreisen hieß es lediglich: "Die Regierung bewertet die Äußerungen des Herrn Puigdemont nicht." Er sei nicht mehr Chef der Regionalregierung.
 
Nach Informationen der Zeitung "El Pais" hat Rajoy Vizeregierungschefin Soraya Saenz de Santamaria mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte betraut. Sie hat offiziell den Posten des abgesetzten katalanischen Vizes Oriol Junqueras übernommen. Insgesamt mussten 150 Mitarbeiter der Regierung gehen.
 
Polizeichefs abgesetzt
 
Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt. Im Fall Trapero war zunächst vermutet worden, dass er seinen Posten behalten könne. Soler hat seinen Posten nach Informationen der Zeitung "El Mundo" bereits widerstandslos geräumt. Er habe sich in einem Schreiben von seinen Mitarbeitern verabschiedet. Zum Nachfolger Traperos wurde Ferran Lopez ernannt. Er war bisher die Nummer zwei bei den Mossos.
 
Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra ist in der Region verwurzelt. Bei dem auch gewaltsamen Vorgehen gegen Wähler und Demonstranten bei dem Referendum über die Unabhängigkeit am 1. Oktober hatte sie sich zurückgehalten. Für die Gewalt wurde in erster Linie die spanische Guardia Civil verantwortlich gemacht.
 
In der digitalen Fassung des Amtsblattes wurden am Samstag auch erste Details zu den geplanten Neuwahlen veröffentlicht. Demnach haben die Parteien für den Wahlkampf 15 Tage Zeit. Er beginnt am 5. Dezember.
 
Puigdemont soll nach Ansicht der spanischen Zentralregierung bei der geplanten Neuwahl in der Region teilnehmen. Regierungssprecher Inigo Mendez de Vigo sagte in einem Reuters-Interview am Samstag, dass Madrid einen solchen Schritt begrüßen würde. Wenn Puigdemont weiter Politik machen wolle, sollte er sich auf die nächste Abstimmung vorbereiten.
 
In Kataloniens Hauptstadt Barcelona blieb die Lage am Samstag ruhig. In Madrid demonstrierten am Samstag mehrere Tausend Menschen für die Einheit des Landes, nachdem in Barcelona am Vorabend Tausende die Unabhängigkeit gefeiert hatten. Die spanischen Behörden begannen derweil damit, die Zwangsverwaltung in Barcelona und anderen Teilen der Region umzusetzen. Das Innenministerium erklärte, die Zentralen der Parteien, der Häfen und Flughäfen, der Gerichte und der Nationalbank würden gesichert.
 
Ob durch die geplante Neuwahl die Krise gelöst werden kann, ist fraglich. So könnte die Zahl der Befürworter der Unabhängigkeit im Parlament sogar noch steigen und alles wieder von vorne beginnen. Umfragen haben bislang jedoch immer wieder gezeigt, dass eine Mehrheit der 5,3 Millionen Wahlberechtigten in Katalonien gegen eine Loslösung der wirtschaftlich starken Region von Spanien ist.
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