Syrien
Rebellen verbünden sich gegen Jiahdisten
07.01.2014
Kampf um Einfluss und westliche Waffenhilfe in Syrien.
In Syrien haben sich bewaffnete Rebellengruppen zum Kampf gegen die bisher mit ihnen verbündeten militanten Jihadisten zusammengeschlossen. Hinter diesem Frontwechsel der Rebellen steckt nach Meinung von Experten nicht nur ein Streit über Gebietsansprüche, sondern auch der Wunsch, sich das Wohlwollen westlicher Waffenlieferanten zu sichern.
Mehrere Rebellengruppen in Syrien starteten am vergangenen Wochenende eine Offensive gegen die Jihadistenorganisation Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL). Deren Kämpfer waren bei den syrischen Aufständischen im Kampf gegen die Regierung von Präsident Bashar al-Assad zunächst willkommen. Denn sie sind diszipliniert, gut bewaffnet und kampferfahren.
Inzwischen werfen mehrere Rebellengruppen der ISIL-Organisation jedoch vor, in den von ihr kontrollierten Gebieten ein Terrorregime zu errichten und gewaltsam gegen rivalisierende Rebellen vorzugehen.
Breite Front gegen ISIL innerhalb der Rebellengruppen Gegen die ISIL-Organisation kämpfen mittlerweile mehrere bewaffnete Rebellengruppen: die mächtige Islamische Front, die islamistische Armee der Mujaheddin, die nicht islamistische Front der Revolutionäre Syriens und die Jihadistische Al-Nusra-Front. Diese unterhält wie die ISIL-Organisation Verbindungen zum Al-Kaida-Netzwerk, gilt aber als "gemäßigter".
Romain Caillet, Salafismus-Spezialist am Französischen Nahost-Institut (IFPO), sieht in den vielen Übergriffen der Jihadisten einen Grund für das Zerwürfnis. Seit Sommer 2013 häuften sich Berichte über Entführungen und Hinrichtungen durch die ISIL-Organisation. Selbst Enthauptungen von Kindern wurden mit den ISIL-Kämpfern in Verbindung gebracht.
Besonders gravierend war Caillet zufolge der vergangene Woche bekannt gegebene Tod eines bei den Rebellen beliebten Arztes. Der unter seinem Pseudonym Abu Rajjan bekannte Doktor und Kommandant der zur Islamischen Front gehörenden Gruppe Ahrar al-Sham wurde Berichten zufolge in einem ISIL-Gefängnis zu Tode gefoltert. Der Schock der Bevölkerung in der Region Aleppo über diese Nachricht sei Wind in den Segeln der Rebellen für ihre Offensive gegen die Dschihadisten gewesen, sagt Caillet.
Ein weiterer Fachmann für den Islam in Syrien, Thomas Pierret von der Universität Edinburgh, hält es für möglich, dass die Gruppe Ahrar al-Sham nach dem Tod ihres Kommandanten und einem Angriff der Jihadisten auf einen ihrer Stützpunkte in Aleppo "grünes Licht" für die Offensive gegen die ISIL-Kämpfer gab. Viele Rebellengruppen hätten schon früher gegen die Jihadisten losschlagen wollen, aber Ahrar al-Sham, die in Nord-Syrien eng mit der ISIL-Organisation zusammenarbeitete, habe stets gebremst.
"Zahlreiche Geistliche" verurteilten Verhalten Was die Rebellengruppen außerdem gegen die ISIL-Jihadisten aufbrachte, waren Pierret zufolge deren Versuche, insbesondere Grenzregionen unter ihre Kontrolle zu bringen und damit die für die Rebellen lebenswichtigen logistischen Verbindungen zu unterbrechen. Hinzu kam, "dass zahlreiche islamische, auch jihadistische Geistliche das ISIL-Verhalten verurteilten".
Die Organisation Islamischer Staat im Irak und in der Levante wurde im Jänner 2012 auf Initiative des irakischen Al-Kaida-Chefs Abu Bakr al-Bagdadi gegründet. Die große Mehrheit ihrer militärischen Führer sind Caillet zufolge Iraker oder Libyer. Bei ihren geistlichen Führern handle es sich eher um Saudi-Araber oder Tunesier, während ihre Kämpfer überwiegend Syrer seien.
Die syrischen Regierungsgegner im Exil begrüßen den Kampf der Rebellenfront gegen die Jihadisten. Caillet zufolge setzen die Rebellen auch darauf, dass eine Verurteilung der jihadistischen Hardliner im Westen gut ankommt. Die USA und Großbritannien hatten im Dezember nach der Übernahme mehrerer Stellungen der Islamischen Front durch Jihadisten die Aussetzung ihrer "nicht tödlichen Hilfe" für die Aufständischen angekündigt.
Einige Rebellengruppen hoffen möglicherweise, dass der Westen sich für ihre derzeitige Offensive erkenntlich zeigen könnte. Pierret bezweifelt dies allerdings "angesichts der Strategie der USA, sich aus der Region zurückzuziehen".
Heftiger Streit bei Treffen der Opposition
Streitpunkt: Führungsteam und Teilnahme an Friedensgesprächen.
Zwei Wochen vor dem geplanten Beginn der Syrien-Friedensverhandlungen in der Schweiz bietet die Opposition ein Bild der Zerrissenheit. Während eines Treffens der Nationalen Syrischen Allianz in Istanbul sei es zu einem heftigen Streit gekommen, hieß am Dienstag aus Delegationskreisen.
40 Mitglieder des Oppositionsbündnisses drohten nach einer Abstimmung über die Neubesetzung der Führungsgremien mit Austritt.
Der Dissident Kamal Labwani warf dem Vorsitzenden der Allianz, Ahmd al-Jarba, vor, dieser habe Oppositionellen Geld gegeben, damit sie für seine Wiederwahl stimmen. "Al-Jarba kauft alle", sagte Labwani der Nachrichtenagentur dpa. Jarba war am Montag für weitere sechs Monate als Oppositionschef bestätigt worden. Er gilt als Schützling von Saudi-Arabien.
Der Streit über die Teilnahme des Bündnisses an den Friedensverhandlungen verlief nach Angaben eines anderen Teilnehmers so kontrovers, dass die Oppositionellen die Debatte vertagten. Sie wollen am 16. Jänner erneut über das heikle Thema diskutieren. Die Friedensverhandlungen mit dem Regime von Präsident Bashar al-Assad sollen sechs Tage später in Montreux beginnen.