Rechts-Terror in Deutschland
Neonazi Beate Z. will aussagen
15.11.2011
Die deutschen Rechtsextremen hatten offenbar Kontakte nach Österreich.
Nach dem Auffliegen des rechten Terror-Netzes, das von Thüringen und Sachsen aus offenbar mehrere Morde und Anschläge in ganz Deutschland geplant und ausgeführt hat, stehen die Ermittler offenbar vor einem Durchbruch: Wie die Stuttgarter Nachrichten berichten, will die 36-jährige Beate Z. aussagen. Sie sitzt zurzeit wegen des dringenden Verdachtes der Mitgliedschaft in der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) in Haft.
Z. soll gemeinsam mit Uwe B. und Uwe M., die mittlerweile Selbstmord begangen haben, Kopf der gewaltbereiten kriminellen Vereinigung gewesen sein. Unklar ist, ob Beate Z. im Fall einer Aussage die Kronzeugenregelung zu Gute kommt. Dies würde für sie zumindest eine deutliche Strafmilderung bedeuten.
Verbindungen nach Österreich
Die rechtsextremen Terroristen hatten offenbar auch Kontakte zur österreichischen Neonazi-Szene. Der österreichische Rechtsextremist Gottfried Küssel sei vor vier Jahren als Gastredner beim rechtsextremen "Fest der Völker" im thüringischen Jena aufgetreten, das zwei Kameraden der mutmaßlichen Terroristen organisierten, meldete die Wochenzeitung "Falter" am Dienstagabend aus ihrer neuen Ausgabe.
Die beiden Organisatoren Andre K. und Ralf W. bildeten mit den mutmaßlichen Mördertrio des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU), der seit 2000 mindestens zehn Menschen ermordet haben soll, die rechtsextreme "Kameradschaft Jena", heißt es in dem "Falter"-Bericht. Andre K. sei im Herbst 1996 mit zwei der Terroristen vor Gericht aufmarschiert. Er wird Medienberichten zufolge verdächtigt, dem Nazi-Trio beim Untertauchen geholfen zu haben. Küssel sei im Jahr 2009 neuerlich vor ostdeutschen Neonazis aufgetreten.
Der Sprecher des österreichischen Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, wies auf APA-Anfrage darauf hin, dass sich Küssel derzeit in Untersuchungshaft befindet. Allein daraus sei ersichtlich, dass die rechtsextreme Szene in Österreich "unter Beobachtung" stehe. "Wir sehen keinen Anlass zur Sorge", betonte der Sprecher.
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Die Aufdeckung der rechtsextremen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im deutschen Zwickau, die der sogenannten "Döner-Morde" und weiterer Anschläge verdächtigt wird, hat am Dienstag zu regen Debatten in Deutschland geführt. Die deutsche CDU setzte sich dafür ein, die Chancen für ein Verbot der rechtsextremen NPD vor dem Hintergrund der Mordserie von Neonazis zu prüfen. Dies beschloss der Parteitag in Leipzig am Dienstag einstimmig. Der Antrag war auch von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel unterstützt worden.
Innenminister Friedrich skeptisch über neues NPD-Verbotsverfahren
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren dagegen skeptisch. Als Voraussetzung dafür müssten sämtliche Verbindungsleute, "V-Leute", abgezogen werden, sagte Friedrich am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. Die Sicherheitsbehörden hätten dann über Jahre keinen Einblick in die Strukturen der rechtsextremen Partei und des Umfelds. "Das ist außerordentlich riskant", sagte Friedrich. Die bayerische Staatsregierung aus CSU und FDP stellte sich dagegen hinter einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte ein erstes Verfahren für ein Verbot der NPD 2003 gestoppt, weil Verbindungsleute des Inlands-Geheimdienstes in dieser Partei aktiv waren. Das höchste Gericht ist allein für ein Verbot einer Partei in Deutschland zuständig.
Verfassungsschutz im Kreuzfeuer der Kritik
Im Zuge der Aufdeckung der Mordserie war auch der Verfassungsschutz ins Zwielicht geraten. Es geht dabei vor allem um die Frage, warum die Ermittlungsbehörden nicht früher auf die Spur der NSU gekommen waren.
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages (PKG) will die Vorgänge um die Zwickauer Terrorgruppe im Zuge eigenständiger Ermittlungen untersuchen. Der PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann (SPD) sagte am Dienstag nach einer Sitzung des Gremiums, für die Ermittlungen sollten die Akten der Landesverfassungsschutzämter in Hessen und Thüringen angefordert werden. Er räumte ein, dass die Landesbehörden dazu aber nicht verpflichtet seien und zur Kooperation bereit sein müssten. Der Geheimdienstausschuss des Deutschen Bundestags war am Dienstag in Berlin zusammengekommen, um sich über die Rolle des Verfassungsschutzes im Fall der Zwickauer Neonazi-Zelle zu informieren.
Polizei prüft weitere Verbrechen auf rechten Hintergrund
Die Polizei im westdeutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen prüft, ob weitere ungeklärte Verbrechen an Ausländern auf das Konto der Neonazi-Terrorgruppe gehen. Im Landeskriminalamt arbeite seit Freitagabend eine "deutlich zweistellige" Zahl von Ermittlern daran, alte Fälle auf Bezüge zu dem Zwickauer Trio zu untersuchen, sagte ein LKA-Sprecher am Dienstag in Düsseldorf.
Ex-Bundesrichter Schäfer prüft Arbeit der Geheimdienste
Unterdessen soll der ehemalige deutsche Bundesrichter Gerhard Schäfer die Rolle des Thüringer Verfassungsschutzes im Falle der jahrelang untergetauchten rechtsextremen Terrorzelle untersuchen. Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft reagierte auf Vorwürfe, den Ermittlern seien damals im Zusammenhang mit den Sprengstofffunden möglicherweise Fehler unterlaufen und kündigte eine Prüfung an.
Das Simon Wiesenthal Center rief die deutschen Behörden in einer Aussendung am Dienstag dazu auf, ihre Ermittlungen zum NS-Terror auszuweiten. Sie sollten auch die Frage beantworten, "ob möglicherweise die gleichen Beamten, die entweder mit Neonazi-Terroristen zusammenarbeiteten oder ihre kriminellen Aktivitäten ignorierten, auch an der Verhinderung der Strafverfolgung von NS-Verbrechern oder NS-Kriegsverbrechern beteiligt waren". Das Wiesenthal Center meinte, dass anders als in den meisten Bundesländern, wo es eine ganze Reihe von Ermittlungsverfahren oder auch Gerichtsverfahren gegeben habe, in Thüringen in den vergangenen Jahren keine NS-Täter vor Gericht gestellt worden seien und es auch keine Ermittlungsverfahren gegeben habe.
Beate Z., Uwe B. und Uwe M. stehen im Verdacht, 1998 die rechtsextreme Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegründet zu haben. Sie sollen hinter einer deutschlandweiten Serie von Morden an neun Kleinunternehmern ausländischer Herkunft in den Jahren 2000 bis 2006 stehen und auch für den Mord an einer Heilbronner Polizistin im April 2007 verantwortlich sein. Darüber hinaus wird die Gruppe verdächtigt, mehrere Bombenanschläge verübt zu haben. Die Polizei kam dem Trio erst auf die Spur, als sich Uwe B. und Uwe M. nach einem Banküberfall das Leben nahmen. Beate Z. stellte sich der Polizei.
Weiterer Unterstützer für die Terror-Zelle
Die Zwickauer Terrorzelle hatte einem Medienbericht zufolge womöglich einen weiteren Unterstützer aus der rechtsextremen Szene. Wie das ARD-Magazin "Fakt" am Dienstag unter Berufung auf eigene Recherchen im Voraus berichtete, soll der 34-Jährige die Wohnung in Zwickau angemietet haben, in der das Trio zuletzt wohnte. Zudem sei der im sächsischen Johanngeorgenstadt lebende Mann auch Mieter jener Wohnung gewesen, in der Beate Z. zuvor zwischen 2001 und 2008 unter falschem Namen gelebt haben soll.
War hessischer Geheimdienstler am Tatort?
Ein ehemaliger Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes rückte Medienberichten zufolge ebenfalls im Zusammenhang mit der Zwickauer Terrorzelle in den Fokus der Ermittlungen. Zu den Berichten, der Mitarbeiter sei an mehreren Tatorten vor Ort gewesen, sagte Oppermann, der Mann sei an einem davon gewesen. Der Mann habe eine rechte Gesinnung aufgewiesen.