Wegen dem Rentner "Pulver-Kurt" wurde ein ganzes Dorf evakuiert.
"Pulver-Kurt" hielt ein ganzes Dorf in Atem: Die Polizei hat bei einem Waffennarr im rheinland-pfälzischen Becherbach ein riesiges Sprengstoff- und Munitionslager entdeckt. Um das explosive Material zu sprengen, mussten alle 600 Bewohner ihre Häuser und das Dorf verlassen. Die Polizei geht vom größten Waffen- und Sprengstoff-Fund bei einem Privatmann in Deutschland aus. Die Bürger von Becherbach lebten buchstäblich auf einem Pulverfass. Der Rentner trug wegen seiner Liebe für Kriegswaffen schon länger den Spitznamen "Pulver-Kurt"
Dorfbewohner durften 16 Stunden lang nicht in ihre Häuser
Die Einwohner von Becherbach konnten erst Sonntag früh - nach einer 16 Stunden langen Sperre - zurück in ihre Häuser. Sie hatten Glück: Bei der Sprengung - die noch in zehn Kilometern Entfernung zu hören war - ging nur eine Scheibe zu Bruch.
Sammelleidenschaft
In einer gemieteten Scheune in Becherbach sowie an seinem nahen Wohnort in der Verbandsgemeinde Meisenheim hatte der 62-jährige Rentner neben dem Sprengstoff auch Kriegswaffen, Handgranaten, Minen und Munition gelagert. "Es ist vermutlich der bundesweit größte Waffen- und Sprengstoff-Fund bei einem Privatmann", sagte Polizeieinsatzleiter Arno Heeling.
Der Mann habe einen "Schwarzpulverschein" und dürfe somit mit bestimmten Mengen hantieren. Zu den Vorwürfen äußerte sich der Rentner bisher nicht. Die Polizei spricht von einer "Sammelleidenschaft". Bürger nannten den Rentner dagegen einen "Militaria-Freak". Die Waffen und der Sprengstoff dürften mehrere Jahrzehnte alt sein - teilweise müsse man in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurückgehen, meinte Heeling. Seit wann und warum der 62- Jährige ein ganzes Kriegswaffenarsenal hortete, ist noch unbekannt. Unklar ist auch, warum die Polizei jetzt erst sein Lager räumte.
Bürger lebten auf Pulverfass
"Die Bürger von Becherbach haben jahrelang auf einem hochexplosiven Pulverfass gelebt, zum Glück ist nichts passiert", sagte ein Polizeisprecher. Schließlich handelt es sich bei dem hochexplosiven Sprengstoff aus der Scheune um einen Stoff, der Nitroglyzerin nahekomme.
Nitroglyzerin kann bei Erschütterungen explodieren. Früher war die Verbindung ein häufiger Bestandteil gewerblicher Sprengstoffe. Ihre Bedeutung hat jedoch abgenommen. Nitroglyzerin kann auch für Raketentreibstoffe verwendet werden. Die Sprengung in Becherbach war dann auch eine sehr heikle Mission.
Nur noch völlig zerfetzte Strohballen, die einen Schutzwall am Sprengplatz bildeten, zeugten Sonntag früh von der Detonation: Zunächst musste ein Sprengstoffexperte die beiden Kisten mit dem hochexplosiven Stoff aus der Scheune tragen und dann auf einem Anhänger deponieren, den ein ferngesteuerter Roboter zum Sprengplatz fuhr. "Das war der gefährlichste Moment", betonte Heeling.
50 bis 60 Meter hohe Rauchwolke bei Sprengung
An einem Feldweg zündeten die Experten: 50 bis 60 Meter hoch schoss eine dunkle Wolke in den Himmel, nur eine Scheibe ging zu Bruch, schildert Heeling. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Meisenheim, Alfons Schneider, sagte: "Als klar wurde, dass die Scheune geräumt ist, haben wir alle aufgeatmet". Kriegswaffen und Munition sind jetzt in einem Bunker auf dem Truppenübungsplatz Baumholder.
Die Aktion hielt rund 120 Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter auf Trab. Etwa zehn Anrainer kamen in Klinken oder Altenpflegeeinrichtungen. Fast alle Bürger konnten bei Bekannten oder Verwandten übernachten, einige blieben im Hotel.
Die Polizei war nach Hinweisen aus der Bevölkerung auf "Pulver- Kurt" aufmerksam geworden. Auch gegen seinen Sohn und einen weiteren Mann wird ermittelt. Wie viele Waffen die Polizei in den vergangenen Tagen gefunden hat, war unklar. Aber allein bei einer Durchsuchung am vergangenen Dienstag war eine ganze Lkw-Ladung zusammengekommen. Alle Beschuldigten sind auf freiem Fuß.