Selbst rechte Strategen befürchten Waterloo.
Die republikanischen Talking-Heads im US-TV, besonders auf "Fox News", überschlugen sich vor Euphorie über Romneys Kür von Rechtsaußen und "Tea Party"-Liebling Paul Ryan zu seinem "Sidekick" in der Wahlschlacht 2012 gegen Obama: Ryan sei der "Rockstar der Partei", verleihe der Kampagne jugendlichen Elan und Charisma, reiße die Partei aus ihrer Lethargie und Depression während des quälenden Sommer des Pannen-Romneys.
Toll noch dazu all die – wirklich politisch so relevanten – Highlights aus Ryans Privatleben im US-Seichtfernsehen, seinen Waschbrettbauch durch das brutales Fitnessprogramm P90X jeden Tag um 6 Uhr früh in der Kongress-Kraftkammer, das Fangen von Fischen mit bloßen Händen, seiner blonden Frau, die hingebungsvoll in der Kleinstadt Janesville (wo Amerika noch Amerika ist) drei süße Kinder großzieht. Wegen Ryans augenscheinlichem Charme wurde sein Starappeal sogar mit Sarah Palin verglichen, nur sei er ausgestattet mit einem funktionierenden Gehirn und habe weniger Leichen im Keller.
Doch hinter den Kulissen herrscht bei republikanischen Strategen Alarmstimmung, gar Resignation: Romney habe mit Ryans Wahl seine allerletzten Chancen verspielt, schäumen einige hinter vorgehaltener Hand laut einem brisanten Report in "Politico.com". Warum? Mit der Kür des rechten Parteiideologen machte Romney das Rennen endgültig zur "Choice Election", einen Wettstreit zwischen zwei fundamental unterschiedlichen Kursen für Amerika. Romney und Ryan wollen das Sozialnetz kappen, die Rolle des Staates zurückdrängen, setzten auf entfesselte Marktkräfte, "Corporate America" und die reichen Eliten für die Ankurbelung der Wirtschaft. Obama argumentiert für eine stärkere Regierungsrolle zur Sicherung der Chancengleichheit, will so vor allem die Mittelklasse stärken. Bisher gewinnt er die meisten Argumente in diesem "Choice"-Wahlkampf: Die meisten Amerikaner durchschauen, wie hohl die Republikaner-Mantra von den "freien Marktkräften" und dem "Runtertröpfeln" des Reichtums weniger auf alle Bevölkerungssegmente klingt - vor allem nachdem die Einkommensschere seit Reagan immer weiter auseinanderklafft und die Mittelklasse strauchelt. Stichwort: 99 Percent!
Weit bessere Chancen hätte Romney wohl mit einer "Referendum-Wahl", einer Art Abstimmung über Obamas erste Amtszeit, von der selbst viele Fans enttäuscht sind. Die kann er nun endgültig vergessen.
Durch Ryans Wahl rückt der Hauptfokus der Wahldebatte auch weg vom wichtigsten Thema – der latenten Jobkrise. In den Mittelpunkt rückten nun Budget-Fragen, für Obama mit Billion-Dollar-Defiziten in Serie kein angenehmes Thema, doch am Ende wohl nicht wahlentscheidend. Und am verheerendsten sind für Romney Ryans Ideen zur Reform der Altenkrankenversicherung "Medicare", wo er die derzeit garantierte ärztliche Betreuung von Über-65-Jährigen durch ein Gutscheinprogramm zum Kauf teuerer Privatversicherungen ersetzen will. Wie Romney nun den wahlentscheidenden "Pensionisten-Staat" Florida gewinnen will, ist völlig schleierhaft.
Für viele GOP-Strategen galt Romneys Niederlage bisher als "wahrscheinlich", mit Ryan an der Seite halten sie viele für "sicher".
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