Die Agenten haben jahrzehntelang in den USA spioniert. Was das für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern bedeutet, wird abzuwarten sein.
In den USA ist ein mutmaßliches Spionage-Netzwerk enttarnt worden, das bereits seit Jahrzehnten Informationen für Russland gesammelt haben soll. Zehn Verdächtige wurden festgenommen, fünf von ihnen erschienen in New York vor einem Bundesgericht. Den mutmaßlichen Spionen, die nach eigenen Angaben aus den USA, Kanada, Peru und Russland stammen, drohen bis zu 25 Jahre Haft.
Spionage und Geldwäsche
Die zehn mutmaßlichen Spione wurden
am Sonntag in den vier nordöstlichen US-Bundesstaaten New York, New Jersey,
Massachusetts und Virginia festgenommen. Neun von ihnen wird auch Geldwäsche
zur Last gelegt. Den Verdächtigen drohen fünf Jahre Haft wegen Spionage und
weitere 20 Jahre Gefängnis wegen Geldwäsche. Ein elfter Verdächtiger blieb
auf freiem Fuß.
Jahrelange Überwachung
Die Bundespolizei FBI hatte die
Verdächtigen über zehn Jahre lang überwacht, sie in ihren Wohnungen und in
Hotelzimmern abgehört, ihre Anrufe mitgeschnitten und ihre E-Mails gelesen.
Fünf der Verdächtigen wurden am Montag einem Bundesgericht in New York vorgeführt. Die anderen fünf Festgenommenen sollten Gerichten in Virginia und Boston im Bundesstaat Massachusetts vorgeführt werden. Der New Yorker Richter James Cott klagte Cynthia M., Juan L., Vicky P. und Anna C. zwar vorerst nicht offiziell an, setzte sie wegen Fluchtgefahr aber nicht auf freien Fuß.
Die Verdächtigen hatten laut Klageschriften angegeben, Bürger der USA, Kanadas oder Perus zu sein. Ihre tatsächliche Nationalität wurde zunächst nicht mitgeteilt. Der Anwalt der Verdächtigen Anna C. sagte nach der Anhörung, die 28-Jährige sei russische Staatsbürgerin. Sie sei erst seit kurzem in den USA und habe eine Arbeitserlaubnis bekommen, die ihr am Samstag wieder entzogen worden sei, führte der Jurist Robert M. Baum aus.
Das Bundesgericht in New York setzte für Donnerstag eine weitere Anhörung zu Anträgen der Verdächtigen an, auf Kaution freigelassen zu werden. Außerdem wurde für den 27. Juli eine Vor-Anhörung zu den Vorwürfen angekündigt.
Langfristige Mission
Die Verdächtigen waren nach Informationen
der Bundespolizei FBI auf einer langfristigen Mission in den USA. Sie
sollten demnach dem Hauptquartier des russischen Auslandsgeheimdienstes SVR
Bericht erstatten. "Ihre Ausbildung, Bankkonten, Auto, Haus usw. - all
dies dient einem Ziel: ihre Hauptmission zu erfüllen, das heißt Verbindungen
in Politik-Kreise in den USA aufzutun und zu entwickeln", zitierte das
FBI aus einer entschlüsselten Botschaft.
Afghanistan, Iran, Rüstung
Die elf Verdächtigen sollten
Informationen über die US-Politik gegenüber Afghanistan und dem Iran sowie
über einen damals geplanten Rüstungsvertrag zwischen Washington und Moskau
sammeln. Sie sollten demnach regierungsnahe Kreise infiltrieren. Das FBI
listete in seiner Klageschrift auch die Methoden des Netzwerks auf. Die
Spione arbeiteten mit verschlüsselten Botschaften, Bargeld sei ihnen von
russischen Boten bei Aufenthalten in lateinamerikanischen Ländern übergeben
worden. Bei Reisen nach Moskau und zurück in die USA seien die Spione zur
Tarnung über Rom geflogen und hätten falsche Pässe benutzt.
Die US-Staatsanwaltschaft teilte mit, dass sie die russische Regierung über die Ermittlungen informieren werde. Das Weiße Haus gab zunächst keine Stellungnahme zu den Festnahmen und möglichen Auswirkungen auf die Beziehungen zu Moskau ab.
Russland verärgert
Der russische Außenminister Sergej Lawrow
reagierte verärgert. Er erwarte nun Erklärungen, sagte Lawrow während eines
Israel-Besuchs am Dienstag in Jerusalem. "Die Angelegenheit wurde uns nicht
erklärt, ich hoffe, sie erklären sie uns", zitierte die Agentur Interfax
Lawrow.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Vorwürfe sei zudem "besonders anmutig" gewählt, sagte der Minister ironisch. Erst vor wenigen Tagen hatten Russlands Präsident Dmitri Medwedew und US-Präsident Barack Obama während eines Treffens in Washington demonstrativ die Wiederannäherung der einstigen Rivalen im Kalten Krieg herausgestellt.