Deutscher Zentralrat der Juden übt Kritik. 590 Bilder könnten NS-Raubkunst sein.
Der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt soll einem Medienbericht zufolge rund 300 Bilder aus dem Münchner Kunstschatz zurückbekommen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg geht davon aus, dass die Überprüfung der beschlagnahmten Werke spätestens kommende Woche abgeschlossen sein wird, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. Kritik kam vom Zentralrat der Juden in Deutschland.
"Es werden wohl circa 310 Gemälde sein, die zweifelsfrei Eigentum des Beschuldigten sind", sagte Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz dem Blatt. Die Staatsanwaltschaft hatte den Kunstschatz im Frühjahr 2012 in Gurlitts Münchner Wohnung beschlagnahmt, darunter viele Werke der klassischen Moderne. Zwei Wochen nach Bekanntgabe des Fundes hatte die Behörde am Dienstag erklärt, sie wolle Gurlitt Hunderte Bilder zurückgeben - allerdings nur Kunstwerke, die nicht im Verdacht der NS-Raubkunst und zweifelsfrei im Eigentum des 80-Jährigen stehen.
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Bernhard Kretschmar: "Straßenbahn", undatiertes Aquarell
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Wilhelm Lachnit: "Mann und Frau am Fenster", Aquarell, 1923
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Erich Fraaß: "Mutter und Kind", Aquarell, 1922
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Wilhelm Lachnit: "Mädchen am Tisch", Aquarell, 1923
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Otto Griebel: "Die Verschleierte", Aquarell, 1926
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Fritz Maskos: "Sinnende Frau", Druckgrafik, 1922
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Christoph Voll: "Sprengmeister Hantsch", Zeichnung, 1922
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Ludwig Godenschweg: "Weiblicher Akt", undatierte Druckgrafik
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Théodore Rousseau: "Vue de la vallée de la Seine", undatierte Zeichnung
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Ludwig Godenschweg: "Männliches Bildnis", undatierte Druckgrafik
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Christoph Voll: "Mönch", Aquarell, 1921
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Otto Griebel: "Kind am Tisch", undatiertes Aquarell
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Otto Dix: "Dame in der Loge", Aquarell, 1922
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Honoré Daumier: "Don Quichote und Sancho Panza", Gemälde, um 1865
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Eugène Delacroix: "Conversation mauresque sur une terrasse", undatierte Bleistiftzeichnung
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Auguste Rodin: "Etude de femme nue debout, les bras relevés, les mains croisées au-dessus de la tête", undatierte Zeichnung
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Otto Dix: "Dompteuse", Aquarell, 1922
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Bonaventura Genelli: "Männlicher Akt", undatierte Zeichnung
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Carl Spitzweg: "Das Klavierspiel", Zeichnung, um 1840
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Hans Christoph: "Paar", Aquarell, 1924
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Conrad Felixmüller: "Paar in Landschaft", Aquarell, 1924
"Löwenbändiger", Max Beckmann, 1930, Gemälde aus Zandvoort, im Werkverzeichnis enthalten.
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Selbstbildnis rauchend, Otto Dix - bisher unbekannt, vermutlich um 1919. Damit ist es laut Kunst-Expertin Meike Hoffmann eines der ganz wenigen Werke, die Dix gleich nach dem Ersten Weltkrieg malte.
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Allegorische Szene, Marc Chagall. Gouache, nicht im Werkverzeichnis enthalten, Herkunft nicht eindeutig bestimmt.
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"Melancholisches Mädchen", Ernst Ludwig Kirchner. Farbholzschnitt mit Motiv eines Mädchens, Herkunft: Kunsthalle Mannheim. In dieser Farbigkeit war die Druckgrafik Kirchners bisher nicht bekannt.
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Farblithographie von Otto Dix, bislang unbekannt. Die Herkunft kann nicht eindeutig nachgewiesen werden. In der Sammlung sind mehrere Grafiken von Dix enthalten, die im Zuge der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt wurden.
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Sitzende Frau, Henri Matisse. Das Bild dürfte Mitte der 1920er Jahre entstanden sein. Es wurde 1942 vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in einem Banktresor im französischen Libourne beschlagnahmt.
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Antonio Canaletto: "Sa. Giustina in Prà della Vale" in Padua, Druckgrafik, 1751/1800
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"Dorfmädchen mit Ziege", Gustav Courbet. Von dem Bild gibt es zwei Versionen, die beide im Werkverzeichnis deklariert sind. Das beschlagnahmte Bild wurde laut Hoffmann erst 1949 auf einer Auktion versteigert. Das Bild geriet also erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Sammlung Gurlitt.
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Max Liebermann: "Reiter am Strand", Gemälde, 1901
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Kunsthistorikerin Meike Hoffmann vor einem Gemälde aus der Sammlung
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Kunsthistorikerin Meike Hoffmann vor einem Gemälde aus der Sammlung
Kritik vom deutschen Zentralrat der Juden
"Nachdem die ganze Sache über 18 Monate hinweg fast konspirativ behandelt wurde, ist nun der Schnellschuss einer pauschalen Rückgabe sicher auch der falsche Weg", kritisierte der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, in der "Süddeutschen Zeitung". Bei Fällen von möglicher Raubkunst seien Sensibilität und Verantwortung gefragt; es gehe "nicht nur um den Rechtsanspruch auf Restitution". Die Sache besitze auch eine "moralische und historische Dimension". Es liege nun in der Verantwortung der Politik, "den Opfern von damals zur Würde von heute zu verhelfen". Der Jüdische Weltkongress hatte zuvor eine Änderung der Verjährungsfristen gefordert, um die Rückgabe von NS-Raubkunst zu erleichtern.
Die von der Bundesregierung geschaffene Expertenkommission zur Aufklärung des Bilderfunds will auf Gurlitt zugehen. "Transparenz und Aufarbeitung sind jetzt das Vordringlichste", sagte die Leiterin der Taskforce, Ingeborg Berggreen-Merkel, der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "Außerdem suchen wir mit Herrn Gurlitt das Gespräch, um mit ihm gemeinsam konstruktive Lösungen zu erarbeiten." Es sei auch in seinem Sinne, wenn er erfahre, welche seiner Werke eventuell als NS-Raubkunst belastet seien.
Sind 590 Bilder NS-Raubkunst?
Die Experten-Gruppe wurde vom Bund und dem Freistaat Bayern eingesetzt. Sie soll herausfinden, bei welchen Kunstwerken aus Gurlitts Schwabinger Wohnung es sich um NS-Raubkunst handelt - möglicherweise sind es 590. Die Taskforce will noch diese Woche weitere Werke auf der Datenbank www.lostart.de einstellen.
In der Wohnung Gurlitts waren im vergangenen Jahr mehr als 1400 Kunstwerke gefunden worden. Sie sollen teils aus NS-Raubkunst stammen, könnten zum Teil aber auch zu der privaten Sammlung von Gurlitts Vater gehören. Die komplizierte Aufklärung der Besitzverhältnisse hat die Staatsanwaltschaft Augsburg übernommen. Gurlitt will die Werke, darunter viele Meisterwerke, zurück.