Skandal- Autor
Sarrazin: Start für Buch-Aufreger
21.05.2012
Autor wettert gegen Euro - Vergleich mit Weltkrieg.
Der Mann liefert Skandale am laufenden Band. Heute bringt Thilo Sarrazin (67) ein neues Buch auf den Markt: Europa braucht den Euro nicht. Auf 464 Seiten wettert der Ex-Bundesbank-Vorstand und SPD-Politiker gegen die Gemeinschaftswährung und gegen die Rettung von Pleitestaaten.
Die Worte sind wie gewohnt radikal: Die europäische Währung wird etwa in Verbindung mit dem Holocaust gebracht. Befürworter von Eurobonds seien „getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben“.
Am Sonntag war Sarrazin zu einem TV-Duell bei Günther Jauch (ARD) geladen. Begleitet von lauten Protesten: „Halt’s Maul!“, schrien Demonstranten.
„Sarrazin kann hier den größten Bullshit erzählen“
Im Studio traf Sarrazin auf den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Erster Eklat: Der Politiker entzog dem Autor das Du-Wort. Sarrazin verkündete: „Das Geld aus dem Rettungsschirm ist schon verloren“, oder: „Wir sollten aufhören, den Griechen Geld zu geben.“ Steinbrück: „Sarrazin kann hier den größten Bullshit erzählen.“
Auch 2011 sorgte Sarrazin für den Buch-Aufreger des Jahres. Thema seines damaligen Bestsellers: Migranten. Zitat: „Araber und Türken haben einen zwei- bis dreimal höheren Anteil an Geburten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht.“ Die Lösung: „Kein Zuzug mehr.“
Seine Lesungen waren auch damals schon Publikumsmagneten: In den Sälen Fans (auch Strache) , davor laute Demos.
Die besten Passagen aus dem Vorabdruck vom Focus
- Sarrazin über Griechen: Gäbe es noch Drachmen, so würden eine Exportkrise für Rosinen oder Oliven und ein griechischer Staatsbankrott die Welt nur begrenzt interessieren.
- … über den Weg in die Krise: Alle Politiker wollten den Euro, um die europäische Rolle in der Welt zu fördern. Dabei ging unter, dass eine Währung als solche immer nur so stark ist wie die dahinterstehende Wirtschaft. Während der gemeinsame Markt Europa durch mehr Wettbewerb und den Ausbau der Handelsbeziehungen stärker machte, verschärfte die gemeinsame Währung die Ungleichgewichte zwischen europäischen Nord- und Südländern und erschwerte Letzteren die Anpassung. Das führte schließlich in die noch anhaltende Dauerkrise.
- … über das Fehlen einer politischen Union: Mit der Vorleistung der gemeinsamen Währung ging die deutsche politische Klasse eine Wette darauf ein, dass die politische Union kurz danach quasi mit Naturgesetzlichkeit folgen werde, weil sonst die Währungsunion nicht stabil sei. Die Wette ist gescheitert. Die Euro-Skeptiker behielten in der Summe leider recht, die politische Union aber ist immer noch nicht in Sicht.
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ÖSTERREICH: Ihr neues Buch wird heftig kritisiert. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble etwa hat es als „himmelschreienden Blödsinn“ bezeichnet. Wie gehen Sie mit solcher Kritik um?
Sarrazin: Schäuble hat weder mein altes noch mein neues Buch gelesen. Wenn er es gut fände und meine Aussagen teilen würde, müsste er seine Politik um 180 Grad drehen oder er müsste zurücktreten. Also hat er gar keine andere Wahl, als mein Buch zu kritisieren.
ÖSTERREICH: Die Diskussion ist gut für die Verkaufszahlen …
Sarrazin: Ein Autor freut sich, wenn sein Buch gelesen und verstanden wird. Ein Autor ist traurig, wenn weder gelesen noch verstanden wird. Natürlich freut sich ein Autor auch, wenn diskutiert wird. Aber das war aufgrund der aktuellen Lage klar.
ÖSTERREICH: Aus Ihrem Buchtitel könnte man schließen, dass Sie ein Plädoyer für das Ende des Euro halten. Aber Sie sind nicht generell gegen den Euro; schreiben sehr klar, dass die Währungsunion nur dann funktioniert, wenn alle Länder dem deutschen Modell folgen. Peilen Sie damit nicht eine deutsche Finanzdiktatur an?
Sarrazin: Meine These lautet, dass die Regeln des Marktes und des Wettbewerbs in allen Ländern ähnlich gelebt werden müssten. Sonst bauen sich neue Spannungen auf. Das haben wir ja gesehen ... Das ist das Gegenteil einer Finanzdiktatur. Jedes Land soll entscheiden, ob es den gemeinsam beschlossenen Regeln folgen will oder nicht. Österreich lebte übrigens viele Jahre über den festen Wechselkursverbund de facto in einer Währungsunion mit Deutschland. Auch wenn Österreich die nationale Eigenständigkeit immer wichtig war: In der Wirtschaftspolitik war Österreich stark mit Deutschland verwoben. Das hat sehr gut funktioniert.
Interview: Ida Metzger aus Berlin