Gestern trafen sich 16 EU-Chefs im Asylstreit. Donnerstag folgt entscheidender Gipfel.
„Wir wissen, dass wir auf dem Europäischen Rat leider noch keine Gesamtlösungen (Anm.: im Migrationsstreit) bekommen werden“, sagte eine sichtlich angespannte Angela Merkel gestern, während sich 16 EU-Staaten zu einem informellen EU-Asylgipfel trafen). Der Start von Schicksalstagen – gestern das Arbeitstreffen, Donnerstag dann der EU-Gipfel in Brüssel – für die deutsche Bundeskanzlerin und die gesamte EU.
Der Streit um die Flüchtlingspolitik, der zwischen dem CSU-Innenminister Horst Seehofer – er will Flüchtlinge an deutschen Grenzen abweisen – und der deutschen Kanzlerin – sie will eine EU-Lösung – begonnen hatte, stellt die EU jetzt vor eine Zerreißprobe. So zerstritten, so gespalten wie derzeit, war die Europäische Union noch selten.
Frankreich/Spanien pro Merkel, Kurz Gegenplayer
Das sollte sich auch in der gestrigen Sitzung zeigen:
- Hinter Merkel stehen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Spaniens neuer Premier Pedro Sanchez. Sie wollen Asylzentren in Europa errichten und einen gemeinsamen EU-Außengrenzschutz.
- Italiens neue populistische Regierung wirft Macron hingegen „Arroganz“ vor und will keine Rückführungsabkommen mit Deutschland abschließen. Man werde „keinen einzigen Flüchtling zurücknehmen“, poltert Matteo Salvini (siehe Kasten).
- Die gestern nicht anwesenden Visegrad-Staaten – Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei – wollen beim EU-Rat am Donnerstag ebenfalls gegen Merkel auftreten. Sie wollen keinerlei Flüchtlingsaufteilung.
- Und Österreichs Kanzler – der von der französischen Nachrichtenagentur AFP bereits als großer „Gegenspieler“ von Merkel bezeichnet wird, sieht überhaupt erst „große Fortschritte“ für Herbst als möglich.
Das wäre für Merkel freilich zu spät. Seehofer hat ihr ein Ultimatum bis Ende Juni gestellt, um eine EU-Lösung zu finden. Die deutsche Kanzlerin will nun mit mehreren Staaten einen „Modus Vivendi“ finden. In den kommenden Tagen wird Merkel noch versuchen direkte Gespräche mit Premierministern zu führen, um die Spaltung zu verhindern und doch noch „bilaterale Deals“ zur Rücknahme von Flüchtlingen aus Deutschland abzuschließen.
Kurz hingegen versucht, das Thema „Flüchtlingsaufteilung“ zu beenden und sich stattdessen auf einen stärkeren gemeinsamen EU-Außengrenzschutz zu einigen.
Zumindest in dieser Frage sind sich die zwei Lager einig. Ob sie sich bis zum Schicksalsgipfel auf einen Kompromiss einigen können, steht freilich noch in den Sternen ...