Der deutsche Verteidigungsminister zieht die Konsequenzen aus dem Wirbel um seine Doktorarbeit.
Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat am Dienstag den Rücktritt von seinen politischen Ämtern bekanntgegeben. Er wolle damit Schaden vom Ministeramt, von seiner Partei, den Soldaten aber auch der Wissenschaft abwenden, sagte der 38-Jährige vor Journalisten in Berlin. Der CSU-Politiker wird wegen der Vorwürfe, seine juridische Doktorarbeit zu großen Teilen abgeschrieben zu haben, seit knapp zwei Wochen massiv kritisiert.
Guttenbergs Rücktritt: Das Video:
Es sei ihm nicht mehr möglich, den in ihn "gesetzten Erwartungen gerecht zu werden", sagte der Minister weiter. Er sei immer bereit gewesen, zu kämpfen, habe aber nun "die Grenzen meiner Kräfte erreicht".
"Schmerzlichster Schritt"
Guttenberg sprach vom "schmerzlichsten Schritt" seines Lebens. Grund für seine Rücktrittsentscheidung seien nicht in erster Linie die Fehler in seiner Doktorarbeit, sondern die Frage, ob er den eigenen "höchsten Ansprüchen" in seinen Ämtern noch nachkommen könne.
Der CSU-Politiker begründete seinen vergleichsweise späten Rücktrittsentschluss zum einen damit, dass er das Amt, an dem sein "Herzblut" hänge, nicht leichtfertig habe aufgeben wollen. Zudem habe er ein "bestelltes Haus" hinterlassen wollen und daher in der vergangenen Woche "noch einmal viel Kraft auf die nächsten Reformschritte" verwendet. Die Bundeswehr-Reform könne nun von seinem Nachfolger "bestens vorbereitet" übernommen werden.
Guttenberg sprach sich zudem dafür aus, die Vorwürfe rund um seine Doktorarbeit auch strafrechtlich zu überprüfen. Dies sei im öffentlichen aber auch seinem eigenen Interesse. Die entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen urheberrechtlicher Fragen sollten "zeitnah" geführt werden. Die Universität Bayreuth hatte ihm auf sein Ersuchen hin in der Vorwoche den Doktortitel aberkannt.
Die Reaktionen
Die Kanzlerin: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Respekt für den Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geäußert. Sie bedauerte am Dienstag in Berlin Guttenbergs Entscheidung im Zusammenhang mit der Plagiats-Affäre und sagte, sie habe sein Entlassungs-Gesuch "schweren Herzens" angenommen. Er habe sein Amt "mit Tatkraft und Entschlossenheit" wahrgenommen und mit der Bundeswehr unumgängliche neue Weichenstellungen eingeleitet.
Die Kanzlerin würdigte seine Fähigkeit, "die Herzen der Menschen zu erreichen". Sie sich sicher, dass auch viele Menschen im ganzen Land Verständnis für seine Entscheidung hätten. Merkel sagte, heute sei nicht die Stunde, über einen Nachfolger zu entscheiden. Bis zur Ernennung seines Nachfolgers in Kürze bleibe er geschäftsführend im Amt.
Der CSU-Chef: CSU-Chef Horst Seehofer bezeichnete den Rücktritt Guttenbergs als sehr schmerzlichen Schritt auch für die Partei. Guttenberg sei ein herausragender Politiker und ausgezeichneter Verteidigungsminister, sagte Seehofer am Dienstag in München. Er und die CSU seien sehr betroffen. Seehofer machte klar, dass das CSU-Präsidium möglicherweise am Freitag entscheiden wolle, wer Guttenberg nachfolgen solle.
Wer die Nachfolge Guttenbergs antritt, war zunächst völlig unklar. Beobachter schlossen nicht aus, dass es zu einem größeren Revirement in der deutschen Regierung kommt. Dabei könnte die CSU das Verteidigungsministerium gegen ein anderes Ministerium abgeben. Dann könnte das Verteidigungsressort auch ein CDU-Politiker übernehmen.
Der FDP-Chef: FDP-Chef Guido Westerwelle stufte die Rücktrittsentscheidung als folgerichtig ein. "Das ist eine Entscheidung der Konsequenz", sagte der Vizekanzler und Außenminister am Dienstag in Berlin. Für Westerwelle ist die Regelung der Nachfolge jetzt Sache der Union. Er stehe im Zusammenhang mit dem Guttenberg-Rücktritt in engem Kontakt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sagte Westerwelle.
Die Opposition: Die deutsche Opposition sieht Bundeskanzlerin Merkel unterdessen durch die Affäre um Guttenberg beschädigt und blamiert. Merkel hatte bis zuletzt öffentlich an ihrem Minister festgehalten. Die Opposition hatte dagegen mehrfach die Entlassung Guttenbergs wegen der Plagiatsaffäre gefordert.
Die SPD: Für die SPD erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, in einer ersten Reaktion am Dienstag in Berlin, für Merkel komme dieser Rücktritt zu spät. "Sie hat sich kräftig blamiert, ihre Glaubwürdigkeit ist beschädigt, sie hat dem Ruf der Politik Schaden zugefügt", betonte Oppermann. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach von einer "Demütigung der gesamten Wissenschaftslandschaft in Deutschland" im Zusammenhang mit der Affäre.
Die Grünen: Auch nach Ansicht der Grünen ist die ganze Angelegenheit eine "Riesenblamage für die Kanzlerin". Die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin sagten, Merkel habe bis zuletzt geglaubt, sich durch diese Affäre lavieren zu können: "Merkels Zögern und machtpolitisches Taktieren haben nicht nur dem Ansehen unserer demokratischen Institutionen schwer geschadet."
Die Linke: Die Parteichefin der Linken, Gesine Lötzsch, bezeichnete den Rücktritt Guttenbergs als "die einzige richtige Entscheidung". "Alles andere hätte den Wissenschaftsstandort Deutschland weiter beschädigt", sagte Lötzsch der "taz" in einem am Dienstag im Voraus verbreiteten Interview.
Die Plagiatsjäger der Internetplattform "Guttenplag-Wiki" bedauern unterdessen, dass Guttenberg in seiner Rücktrittserklärung "keine klaren Worte zur offensichtlichen Täuschungsabsicht und zur Urheberschaft" seiner Dissertation gefunden habe. Aus aktuellem Anlass wollen sie am heutigen Dienstag einen zweiten Zwischenbericht zur Doktorarbeit des Politikers veröffentlichen. In dem von allen Usern frei bearbeitbaren Internetseite hatten Internetnutzer gemeinsam dokumentiert, wo Guttenberg abgeschrieben haben könnte. Durch die zahlreichen Fundstellen war der Druck auf ihn stark gewachsen.
Deutsche Truppen in Afghanistan: Bei deutschen Soldaten in Afghanistan hat der Rücktritt von Deutschlands Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Bedauern ausgelöst. Die Soldaten hätten den Rücktritt aber sachlich und "ohne große Emotionen" zur Kenntnis genommen, sagte Bundeswehrsprecher Stefano Toneatto zur Stimmung im größten deutschen Feldlager im nordafghanischen Mazar-i-Sharif.
"Bei vielen ist Bedauern dabei", sagte Toneatto am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in einem Telefonat. Das Meinungsbild im Camp Marmal erscheine relativ einhellig. Die Truppe habe mit Guttenberg "einen aus unserer Sicht fähigen und beliebten Minister" verloren. "Viele respektieren die Konsequenz, mit der er zurückgetreten ist." Von einigen sei der Schritt erwartet worden.
Seite 2: Der große Live-Ticker zum Nachlesen - So war der Tag in Berlin:
14:53 Uhr: In Berlin ist jetzt die Diskussion um den Nachfolger voll im Gang. Namen aus der CSU werden gehandelt. Verkehrsminister Peter Ramsauer etwa, doch der hat bereits abgewunken.
14:50 Uhr: Die Pressekonferenz ist beendet. Angela Merkel verschwindet wieder im Bundeskanzleramt.
- 14:48 Uhr: Angela Merkel versteht die Bedenken der Wissenschaft. Sie ist jedoch "betrübt" über die Entscheidung des Verteidigungsministers, sein Amt aufzugeben. Laut deutscher Verfassung bleibt er geschäftsführend im Amt, bis ein Nachfolger gefunden ist. Dies werde, so die Kanzlerin, "rasch geschehen".
- 14:48 Uhr: Merkel wurde von Guttenbergs Rücktritt überrascht.
- 14:47 Uhr: Nachfolger-Frage: Dies werde in Kürze entschieden, so die Kanzlerin
- 14:46 Uhr: Die Kanzlerin würdigte zudem seine Fähigkeit, "die Herzen der Menschen zu erreichen".
- 14:46 Uhr: Sie dankt Guttenberg für seine hervorragende Leistung
- 14:46 Uhr: Merkel bedauert den Rücktritt - zeigt aber Verständnis für die persönliche Entscheidung
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14:46 Uhr: Die deutsche Bundeskanzlerin nimmt das Rücktrittsgesuch von Verteidigungsminister Guttenberg an.
14:45 Uhr: Jetzt erscheint Merkel vor den versammelten Journalisten. Die Pressekonferenz beginnt.
14:36 Uhr: In Berlin steigt die Spannung: Gleich tritt die Bundeskanzlerin vor die Presse. Wir berichten hier LIVE, was Angela Merkel zum Rücktritt von Guttenberg sagt.
14:25 Uhr: Merkel hatte per sms von Guttenbergs Rücktritt während ihres Besuches auf der Computermesse Cebit in Hannover erfahren:
Merkel auf der Cebit: Per SMS informiert. (c) AP
13:58 Uhr: Angela Merkel hat für 14:45 Uhr eine Erklärung angekündigt.
13:33 Uhr: Seehofer macht auch klar, dass das CSU-Präsidium möglicherweise am Freitag entscheiden wolle, wer Guttenberg nachfolgen solle.
13:29 Uhr: CSU-Chef Horst Seehofer hat den Rücktritt als sehr schmerzlichen Schritt auch für die CSU bezeichnet. Guttenberg sei ein herausragender Politiker und ausgezeichneter Verteidigungsminister, sagte Seehofer. Er und die CSU seien sehr betroffen.
13:02 Uhr: CSU hat bestürzt und betroffen auf den Rücktritt Guttenbergs reagiert. CSU-Chef Horst Seehofer verließ am Dienstagvormittag überraschend eine Sitzung des bayerischen Kabinetts und kam mit der Nachricht vom Rücktritt zurück, wie Teilnehmer anschließend berichteten. Er habe betroffen gewirkt, hieß es.
12:52 Uhr: Der Reservistenverband hat eine konsequente Fortführung des eingeschlagenen Weges zur Reform der Bundeswehr gefordert. "Wir dürfen jetzt nicht in alte Strukturen verfallen, nur weil es einen personellen Wechsel in der Führung gibt", erklärte der Präsident des Reservistenverbandes, Gerd Höfer.
12:34 Uhr: Bisher hat Merkel jeglichen Kommentar zum Rücktritt ihres Verteidigungsministers verweigert. Die Grünen sprechen von einer Riesen-Blamage für die Kanzlerin.
12:17 Uhr: Kanzlerin Merkel befindet sich derzeit auf dem Weg zurück nach Berlin.
11:55 Uhr: Die Mitarbeiter des Verteidiungsministeriums können den Rücktritt noch gar nicht fassen. Überall sind schockierte Gesichter zu sehen.
Karl-Theodor zu Guttenberg bei seiner Rede/ (c) Reuters
11:36 Uhr: Wer Nachfolger Guttenbergs wird, ist derzeit völlig unklar. Beobachter schlossen nicht aus, dass es zu einem größeren Revirement in der deutschen Regierung kommt. Dabei könnte die CSU, der Guttenberg angehört, das Verteidigungsministerium gegen ein anderes Ministerium abgeben. Dann könnte das Verteidigungsressort auch ein CDU-Politiker übernommen.
11:25 Uhr: Beobachter sprechen von einem Abschied mit "viel Herzblut". Mitarbeiter des Ministeriums haben Tränen in den Augen.
11:24 Uhr: "Ich war immer bereit zu Kämpfen, aber jetzt habe ich die Grenzen meiner Kräfte erreicht", mit diesen Worten beendet Guttenberg sein Statement.
11:22 Uhr: Zum Abschluss dankt er der deutschen Bevölkerung und den deutschen Soldaten, denen er als Verteidigungsminister vorstand. Zudem dankt er Bundeskanzlerin Angela Merkel für die jahrelange Unterstützung.
11:21 Uhr: Der mediale Druck nach Bekanntwerden der Affäre waren sowohl für ihn als auch für seine Familie sehr groß.
11:20 Uhr: Er hofft, dass sein Nachfolger, das Konzept der Reform weiterführt.
11:19 Uhr: Er zieht die Konsequenz, die er auch von anderen eingefordert hätte. Er will damit größeren Schaden von den ihn unterstützenden Parteien fernhalten.
11:18 Uhr: Zu Guttenberg blickt auf sein Schaffen zurück und erwähnt stolz die erfolgreiche Bundeswehr-Reform, die er angestossen hat.
11:17 Uhr: Jetzt tritt Guttenberg vor die Presse. Er bestätigt sein Rücktrittsgesuch.
11:12 Uhr: Für Kenner der politischen Szene in Deutschland ist weniger die Plagiatsaffäre an sich, als viel mehr das schlechte Krisenemanagement Guttenbergs schuld an dem Druck, dem er sich jetzt beugen muss.
11:08 Uhr: Für viele Deutsche war der beliebte Politiker ein "Kanzler im Wartestand".
Angela Merkel erhält während der Eröffnung der CeBit eine SMS/ (c) Reuters
11:05 Uhr: Kanzlerin Merkel wurde von dem Rücktrittsgesuch Guttenbergs völlig unvorbereitet erwischt. Sie wurde auf einem Rundgang auf der Computer-Messe Cebit in Hannover über den Rücktritt informiert.
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10:55 Uhr: Um 11.15 Uhr will Guttenberg in Berlin vor die Presse treten.
10:50 Uhr: Guttenberg hat das entsprechende Rücktrittsgesuch bereits bei Bundeskanzlerin Angela Merkel eingereicht.
10:37 Uhr: Knalleffekt in Deutschland: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will nach einem Bericht der "Bild" noch am Dienstag zurücktreten.