63 Punkte umfassender Masterplan soll am Dienstag vorgestellt werden.
Mit einem 63 Punkte umfassenden Masterplan will Deutschlands Innenminister Horst Seehofer die deutsche Asylpolitik neu aufstellen. "Die Asylpolitik in Deutschland muss grundlegend überarbeitet werden. Wir haben immer noch kein richtiges Regelwerk für die Zukunft", sagte der CSU-Chef der "Bild am Sonntag" ("BamS"). Seehofer will sein Maßnahmenpaket am Dienstag in Berlin den Medien vorstellen.
Dabei möchte auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik präsentieren, die verstärkt auf die Beseitigung von Fluchtursachen setzt. Der Fokus liegt auf privaten Investitionen und beruflicher Bildung in Krisenländern, wie der CSU-Politiker in der "Augsburger Allgemeinen" ankündigte.
Merkel hat Bedenken
Nach Seehofers Plänen sollen laut "BamS" Flüchtlinge ohne Papiere an der Grenze zurückgewiesen werden. Auch abgeschobene Asylbewerber, die wieder nach Deutschland einreisen wollen, sollen demnach konsequent abgewiesen werden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe bei diesem zentralen Punkt aus Sorge vor Ärger mit anderen europäischen Ländern aber noch Bedenken, schrieb die Zeitung. Ein CSU-Spitzenpolitiker sagte dem Blatt, der Masterplan gehe über Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hinaus, "weil es die aktuelle Situation erfordert".
Weitere Vorhaben Seehofers sind dem Bericht zufolge eine Verschärfung der Mitwirkungspflicht bei der Klärung von Asylanträgen und die Umstellung von Geld- ausschließlich auf Sachleistungen für Flüchtlinge in den geplanten Ankerzentren. Die FDP-Innenexpertin Linda Teuteberg forderte Seehofer auf, seine Vorschläge im Innenausschuss des Bundestages zu erläutern.
Dublin-Abkommen
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte bereits vergangenen Dienstag gefordert, entsprechend der Rechtslage des Dublin-Abkommens die derzeit kaum praktizierten Zurückweisungen an den Grenzen wieder aufzunehmen. Nach dem Abkommen ist für Flüchtlinge der EU-Staat zuständig, den sie zuerst erreichen.
FDP-Chef Christian Lindner sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, man müsse zu den Dublin-Regeln zurückkehren, das gehe aber nur in Absprache mit anderen in Europa. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte der "Rheinischen Post": "Man kann das nur europäisch lösen und nicht bayerisch." Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte generell, Europa brauche "deutlich mehr Gemeinsamkeiten in der Asylpolitik". Das bedeute auch: "Wir müssen bei unserem deutschen Recht einige Abstriche machen", sagte Schäuble der "Wirtschaftswoche".
Beschleunigung der Asylverfahren
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion macht zudem Druck, um Asylverfahren zu beschleunigen. Fraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) sagte mit Verweis auf den Mordfall Susanna F., die Verfahren müssten schneller abgeschlossen werden, auch wenn Asylbewerber Gerichte anrufen. Besonders die Verwaltungsgerichte bräuchten mehr Personal. Im Mordfall Susanna war der Asylantrag des verdächtigten Irakers schon Ende 2016 abgelehnt worden, er hatte aber Rechtsmittel dagegen eingelegt, eine Abschiebung war damit gestoppt.
Der Präsident des deutschen Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, nannte in der "Welt am Sonntag" Zahlen zu Klagen rund um das Thema Asyl. 2017 habe das Gericht 399 Asylklagen zu bearbeiten gehabt, in den Vorjahren seien es maximal 123 gewesen. Viele Verfahren seien noch bei Vorinstanzen anhängig. In der gesamten deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit waren es laut Voßkuhle zum Jahreswechsel etwa 370.000.
Entwicklungsstrategie 2030
Hintergrund der Reformpläne ist die im Herbst 2015 rasant gestiegene Zahl von Flüchtlingen, die das deutsche Bundesflüchtlingsamt (BAMF) unvorbereitet traf. Die Spitze des Amtes hat sich der "Bild am Sonntag" zufolge schon Jahre zuvor beim Innenministerium über Personalengpässe beklagt. Man habe seit 2010 "fast monatlich" auf die steigende Zahl von Asylbewerbern vom Westbalkan hingewiesen, "allerdings folgenlos", zitiert die Zeitung aus einem internen E-Mail des damaligen Behördenleiters Manfred Schmidt vom Oktober 2012 an das Ministerium.
Müller sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Montag-Ausgabe): "Der Masterplan wird das gesamte Instrumentarium zeigen, das nötig ist, um Ordnung und Recht in Deutschland durchzusetzen." Parallel dazu werde er die Entwicklungsstrategie 2030 vorstellen. Hier gehe es um eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit, "die nicht mehr nur mit öffentlichen Geldern erfolgen soll". Dazu gehörten insbesondere Anreize für die deutsche Wirtschaft: "Wir brauchen mehr private Investitionen, gerade in Afrika."
Bleibeperspektiven vor Ort
"Allen ist klar, dass die Probleme der Welt nicht durch Zuwanderung nach Deutschland gelöst werden können, sondern nur, indem wir Bleibeperspektiven vor Ort schaffen", so der Minister. Hier müsse Deutschland seine Anstrengungen weiter steigern.
Zugleich solle mit Seehofers Masterplan der Grenzschutz und die Rückführung abgelehnter Asylbewerber intensiviert werden, sagte Müller. "Illegale Zuwanderung muss verhindert werden", betonte der Entwicklungsminister. "Nicht die Schleuser, sondern die Regierung muss entscheiden, wer nach Deutschland kommt." Neben den im Koalitionsvertrag genannten Ländern Marokko, Tunesien und Algerien solle auch Georgien zum sicheren Herkunftsland erklärt werden. "Und es gibt auch sichere Regionen in Krisenländern wie Irak und Afghanistan, in die abgelehnte Asylbewerber durchaus zurückgeschickt werden können."