Mehrere Soldaten getötet
Selbstmordanschlag in Kabul
29.10.2011
Die Opfer sind offenbar mehrheitlich Angehörige der US-Streitkräfte.
Diesmal war es keine der komplexen Kommando-Operationen, wie sie die Taliban in den vergangenen Monaten in Kabul verübt haben. Am Samstag sprengte sich ein einzelner Selbstmordattentäter in der afghanischen Hauptstadt in die Luft - und richtete ein verheerendes Blutbad an. 13 US-Soldaten und vier Afghanen starben, als der Angreifer seine nach Taliban-Angaben 700 Kilogramm schwere Autobombe zündete. Nie zuvor töteten die Taliban bei einem Anschlag in Kabul mehr Soldaten der Schutztruppe ISAF.
Nicht nur dieser Anschlag weckt erneut Zweifel daran, ob Afghanistan bis Ende 2014 stabil genug für einen Abzug der NATO-Kampftruppen sein wird. Beunruhigende Nachrichten kamen am Samstag auch aus anderen Landesteilen. Im Osten des Landes sprengte sich eine Frau in die Luft, sie verletzte zwei Polizisten. Selbstmordattentäterinnen sind extrem selten in Afghanistan.
Im Süden des Landes drei Australier erschossen
Im Süden des Landes wurden außerdem drei australische ISAF-Soldaten erschossen, auch der Angreifer starb. Er trug eine afghanische Armeeuniform. Der Vorfall dient nicht dazu, das Vertrauen in die afghanischen Sicherheitskräfte zu stärken, die 2014 im ganzen Land die Verantwortung übernehmen sollen.
Der Zeitplan gilt ohnehin als ambitioniert. Afghanische Armee und Polizei sind weiterhin im Aufbau, zur ihrer Qualität gibt es unterschiedliche Meinungen. Strittig ist auch, ob sich die Sicherheitslage verbessert und damit langsam die Grundlage für den Abzug der ausländischen Soldaten geschaffen wird oder ob sie sich wie in den vergangenen Jahren stetig weiter verschlechtert.
So verzeichnete die NATO-geführte Schutztruppe ISAF zwischen Jänner und September acht Prozent weniger "feindliche Angriffe" als im Vorjahreszeitraum. Die ISAF sieht den Trend der Vorjahre damit gebrochen. Zu einem diametral entgegengesetzten Ergebnis kommen die Vereinten Nationen, die eine dramatische Verschlechterung konstatieren.
Die UN-Statistik erfasst anders als die der ISAF nicht nur tatsächlich erfolgte Angriffe Aufständischer, sondern alle "sicherheitsrelevanten Vorfälle". Darunter sind beispielsweise auch Sprengsätze, die gelegt, aber vor der Detonation entdeckt wurden. Nach UN-Angaben nahm die Zahl der Vorfälle zwischen Jänner und August verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 39 Prozent zu.
Kein Ende der Gewalt absehbar
Ein Ende der Gewalt ist nicht abzusehen. Am 16. November soll in Kabul eine Loya Jirga über eine strategische Partnerschaft mit den USA entscheiden, die die Taliban strikt ablehnen. Zweites Thema der Großen Ratsversammlung sind Gespräche mit den Taliban, die bisher keinerlei Erfolge zeigten und an denen die Aufständischen nicht besonders interessiert erscheinen.
Die Taliban haben angekündigt, die Loya Jirga anzugreifen. "Für ihr Langzeit-Ziel einer dauerhaften Präsens in Afghanistan wollen die Amerikaner diese Tradition (der Loya Jirga) ein weiteres Mal durch ihr Handlanger-Regime missbrauchen", teilten die Aufständischen mit. Teilnehmer an der Versammlung seien Verräter, die "in jeder Ecke des Landes" verfolgt und bestraft würden.
Die Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte bezeichnen die Aufständischen als einen "wertlosen Prozess", der ihre Operationen nicht beeinträchtigen werde. Die sogenannte Transition schreitet trotzdem voran.
Westerwelle will an Abzugsplänen festhalten
Nach dem Anschlag am Samstag teilte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle mit: "Deutschland und seine Verbündeten werden an dem Weg der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an afghanische Stellen festhalten und den mühsamen Prozess der inneren Aussöhnung in Afghanistan weiter unterstützen."
Sieben Regionen befinden sich bereits seit Juli in der Übergabe. Nun sollen in einer zweiten Tranche nach vorläufigen Behördenangaben 17 der 34 afghanischen Provinzen ganz oder teilweise folgen, darunter sind sechs im nördlichen Einsatzgebiet der Bundeswehr. Die letzte Entscheidung über die betroffenen Regionen trifft Präsident Hamid Karzai in diesen Tagen.
Dass der Übergabe-Prozess noch einmal gestoppt oder auch nur verlangsamt wird, ist trotz der andauernden Gewalt unwahrscheinlich. Die Truppenstellernationen sind kriegsmüde. Die Mehrheit nicht nur der Deutschen will ein Ende des blutigen Einsatzes, an dem derzeit noch rund 130 000 ISAF-Soldaten beteiligt sind.
Noch vor der Loya Jirga kommt Karzai am Mittwoch in Istanbul mit Vertretern von Staaten aus der Region zusammen. Das Treffen in der Türkei gilt als Etappe auf dem Weg zur Afghanistan-Konferenz am 5. Dezember in Bonn - auf der dann endgültig die Weichen für das Land am Hindukusch für die Zeit nach 2014 gestellt werden sollen.