Nach Drohnenattacke
Selenskyj sendet neuen Hilferuf an Westen
03.03.2024Die Welt habe ausreichend Flugabwehrsysteme gegen Drohnen und Raketen, um auf den russischen Terror zu antworten, sagte Selenskyj.
Kiew (Kyjiw). Nach dem Tod zweier Kinder bei einer russischen Drohnenattacke in Odessa am Schwarzen Meer hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut auf Hilfe des Westens bei der Flugabwehr gedrungen. "Verzögerungen bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine sowie bei der Luftverteidigung zum Schutz unserer Bevölkerung führen leider zu solchen Verlusten", teilte Selenskyj am Samstagabend bei X (vormals Twitter) mit.
Der russische Terror müsse gestoppt werden. "Und wenn Menschen sterben, während unsere Partner sich in politischen Spielchen oder Diskussionen verlieren, die unsere Verteidigung einschränken, ist das unverständlich und unvorstellbar."
Zweiter Appell nach dem Drohnenangriff
Die Welt habe ausreichend Flugabwehrsysteme gegen Drohnen und Raketen, um auf den russischen Terror zu antworten, sagte Selenskyj. Es war bereits sein zweiter Appell nach dem Drohnenangriff in Odessa, bei dem in der Nacht auf Samstag ein neunstöckiges Haus schwer getroffen und beschädigt worden war. Mindestens sieben Menschen starben, acht wurden verletzt.
Unter den Toten seien zwei Buben im Alter von vier Monaten und drei Jahren gewesen, sagte Selenskyj. Die Zahl der seit Kriegsbeginn vor gut zwei Jahren bei russischen Angriffen getöteten Kinder steige immer mehr. "Die Ukraine hat niemals mehr verlangt als das, was nötig ist, um Leben zu retten", sagte Selenskyj in seiner in Kiew veröffentlichten Videobotschaft.
Nach dem Drohnenangriff suchten Einsatzkräfte in den Trümmern weiter nach Verschütteten. Laut Behörden waren mindestens 18 Wohnungen zerstört worden.
Neue Drohnenangriffe auch in Russland
Auch in Russland meldeten die Behörden neue Drohnenangriffe. Bei einer Explosion an einem Wohnhaus in der russischen Millionenmetropole St. Petersburg wurden am Samstag mehrere Menschen verletzt. Örtliche Medien berichteten, dass eine Drohne detoniert sei. Gouverneur Alexander Beglow versprach den Bewohnern der beschädigten Wohnungen Hilfe.
Sechs Menschen hätten medizinische Hilfe gesucht, teilten die Behörden mit. Eine 92 Jahre alte Frau wurde ins Krankenhaus gebracht. Bei der Explosion barsten Scheiben an dem fünfgeschossigen Wohnhaus. Bewohner wurden in einem Kindergarten untergebracht. Auch Psychologen seien im Einsatz, um die Betroffenen zu betreuen, hieß es. In sozialen Netzwerken wurden Videos verbreitet, auf denen eine schwere Explosion zu sehen und zu hören ist. Die Echtheit der Aufnahmen konnte zunächst nicht überprüft werden.
Das St. Petersburger Nachrichtenportal "Fontanka" berichtete, dass die Drohne womöglich ein Öllager in der Nähe als Ziel gehabt habe. Dort sei auch Drohnenabwehr im Einsatz. St. Petersburg wurde als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg bisher kaum von Flugkörpern getroffen. Allerdings hatte die Ukraine mitgeteilt, dass die Reichweiten ihrer Drohnen immer größer werde.
Einsatz der Flugabwehr
Am Samstagabend informierte auch der Gouverneur des an St. Petersburg grenzenden Leningrader Gebiets, Alexander Drosdenko, über den Einsatz der Flugabwehr am Finnischen Meerbusen. Er veröffentlichte ein Video, auf dem eine Explosion zu sehen ist. Zeigen soll der Clip den Abschuss einer Drohne durch eine Flugabwehrrakete. Verletzte oder Schäden gab es demnach nicht. Kurzzeitig hätten aber auf dem Flughafen Pulkowo keine Maschinen landen dürfen, hieß es. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte diesen und einen weiteren Drohnenabschuss im an die Ukraine grenzenden Gebiet Belgorod.
In ihrem Verteidigungskampf gegen die Invasoren greift die Ukraine immer wieder auch Ziele im russischen Hinterland an. So soll etwa der Nachschub für die russischen Truppen gestört werden. Besonders betroffen von den ukrainischen Gegenangriffen sind die russischen Grenzregionen. Getroffen wurden aber auch Ziele tiefer im Landesinneren. Die Schäden stehen in keinem Vergleich zu den Folgen der täglichen russischen Angriffe auf die Ukraine, die Tod und Zerstörung über das Land bringen.
Weitere Veränderungen auf unteren Kommandoebenen
Der neue Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, kündigte indes weitere Veränderungen auf unteren Kommandoebenen an. Es gebe Brigadekommandeure, deren Handlungen das Leben und die Gesundheit von Soldaten gefährdeten, teilte Syrskyj mit. Details nannte er nicht. Die ukrainischen Streitkräfte kämpfen aber neben dem Munitions- und Personalmangel auch mit Führungs- und Motivationsproblemen. Die Lage an der Front hatte Kiews Militärführung zuletzt immer wieder als schwierig bezeichnet.
Der Oberkommandierende habe freie Hand für personelle Veränderungen beim Militär, sagte Selenskyj in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft. "Alle ukrainischen Kommandeure müssen die Front kennen, die Front spüren - die wirklichen Bedürfnisse", sagte Selenskyj. Er erwarte Anfang der Woche nach Syrskyjs Rückkehr von der Front einen detaillierten Lagebericht und Vorschläge für Veränderungen, um die ukrainischen Ziele zu erreichen.