Wenige Stunden vor einer drohenden Haushaltssperre hat der US-Kongress einen Übergangshaushalt verabschiedet und so einen sogenannten Shutdown abgewendet.
Der Senat votierte am Samstagabend mit 88 Ja-Stimmen bei neun Gegenstimmen für einen Text des Repräsentantenhauses, der eine Finanzierung der Bundesbehörden bis Mitte November sicherstellt, aber keine zusätzlichen Ukraine-Hilfen enthält. US-Präsident Joe Biden setzte den Übergangshaushalt mit seiner Unterschrift in Kraft.
Biden forderte den Kongress allerdings umgehend auf, neue Mittel für Kiew in einem separaten Gesetz freizugeben. "Wir können unter keinen Umständen zulassen, dass amerikanische Hilfe für die Ukraine unterbrochen wird", mahnte der Präsident. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, müsse seine Verpflichtung gegenüber "dem ukrainischen Volk" einhalten und neue Hilfen durch die Kongresskammer bringen.
Haushaltssperre verhindert
Mit dem Senatsvotum vom Samstagabend wurde nur drei Stunden vor Ablauf der entscheidenden Frist eine Haushaltssperre verhindert. Hätten sich Demokraten und Republikaner nicht in letzter Minute geeinigt - wonach es lange aussah - wäre um Mitternacht (Ortszeit, 06.00 Uhr MESZ) der Shutdown in Kraft getreten. Hunderttausende Staatsbedienstete hätten dann in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt und zahlreiche öffentliche Einrichtungen geschlossen werden müssen.
Der Haushaltsstreit hatte Washington schon seit Wochen beschäftigt. Im Zentrum standen rechte Hardliner bei den Republikanern im Repräsentantenhaus, die massive Ausgabenkürzungen fordern - und sich auch gegen die von Biden geforderten neuen Ukraine-Hilfen in Höhe von 24 Milliarden Dollar (22,7 Milliarden Euro) stemmen. Im Repräsentantenhaus stellen die oppositionellen Republikaner die Mehrheit, während der Senat von Bidens Demokraten kontrolliert wird.
Im Verlauf der Woche legten zunächst Senatoren von Republikanern und Demokraten einen Kompromissvorschlag für einen Übergangshaushalt vor, der aber von McCarthy abgelehnt wurde. Der Text hätte rund sechs Milliarden Dollar an neuen Ukraine-Hilfen umfasst. Ein von McCarthy vorgelegter Vorschlag für einen Übergangshaushalt scheiterte am Freitag im Repräsentantenhaus am Widerstand der ultrarechten Hardliner - und die Zeichen standen auf Shutdown.
Dramatische Wendung
McCarthy legte dann aber am Samstag in einer dramatischen Wendung einen neuen Vorschlag für einen Übergangshaushalt vor, der eine Finanzierung der Bundesbehörden für 45 Tage sicherstellt und damit Zeit für neue Haushaltsverhandlungen schafft. Im Kongress kam es zu turbulenten Szenen: Während die Demokraten den Text prüften, löste einer ihrer Abgeordneten, Jamaal Bowman, einen Feueralarm in einem Kongressgebäude aus.
Bowmans Büro erklärte, es habe sich um einen Unfall gehandelt. Die Republikaner warfen dem Abgeordneten aber vor, versucht zu haben, das Verfahren zu verzögern.
Der Text passierte schließlich mit einer klaren Mehrheit das Repräsentantenhaus, wobei mehr Demokraten für McCarthys Text stimmten als Republikaner. Die Demokraten waren zwar verbittert über die Streichung neuer Ukraine-Hilfen, wollten aber unter allen Umständen eine Haushaltssperre verhindern. Gegen 21.00 Uhr (Ortszeit) wurde der Text dann vom Senat angenommen.
In dem Streit steht auch McCarthys Posten auf dem Spiel: Der Rechtsaußen-Flügel seiner Fraktion hatte damit gedroht, ihn abzusetzen, sollte der Entwurf mit Unterstützung der Demokraten angenommen werden. "Wissen Sie was, wenn ich meinen Posten riskieren muss, um das amerikanische Volk zu verteidigen, werde ich das tun", sagte McCarthy am Samstag. Die rechte Hardlinerin Lauren Boebert wollte sich im Nachhinein nicht dazu äußern, ob die Gruppe versuchen würde, McCarthy des Amtes zu entheben.
In den USA ist es in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt zu einer Haushaltssperre gekommen. Die letzte ereignete sich im Dezember 2018 und Jänner 2019 unter dem damaligen Präsident Donald Trump - und war mit 35 Tagen die längste der US-Geschichte.