Nur 2 Jahre, 4 Monate Haft

Skandal-Urteil für schweren Kindesmissbrauch

18.09.2016

Das milde Urteil löst Entsetzen im ganzen Land aus.

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© Getty Images (Symbolbild)
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In einem Flüchtlingsheim in Boostedt (Schleswig-Holstein) hatte Ende März ein 22-jähriger Afghane einen vierjährigen Buben aus dem Irak aufgefordert, ihm in eine Toilettenkabine zu folgen. Dort verriegelte er die Tür, steckte seinen Penis in den Mund des Kindes und ejakulierte schließlich außerhalb.

Der Vater des kleinen Jungen konnte den 22-Jährigen kurz nach der Tat noch mit heruntergelassener Hose stellen. Der Täter und ein 29-Jähriger, der vor der Tür Schmiere gestanden haben soll, wurden verhaftet.

Keine Reue vor Gericht

Vor Gericht habe der 22-Jährige wie "Bild.de" berichtet keinerlei Reue gezeigt. Er sei ein Superstar in Afghanistan und wäre nicht fähig zu dem, was ihm vorgeworfen wird. Er habe vor dem Vorfall zwar Alkohol getrunken, sich aber unter Kontrolle gehabt.

Das Urteil, das am Donnerstag vom Landgericht Kiel gefällt wurde, löste Entsetzen aus: Der 22-Jährige wurde zu zwei Jahren und vier Monaten Haft wegen schweren sexuellen Missbrauchs verurteilt, sein mutmaßlicher Komplize wurde freigesprochen.

Keine Vergewaltigung

Oberstaatsanwalt Axel Bieler erklärte gegenüber "Bild am Sonntag", dass eine Vergewaltigung nur bestraft werde, wenn sie mit Gewalt oder der Drohung von Gewalt durchgesetzt werde. "Davon gehen wir in diesem Fall nicht aus. Bei Kindern reicht es oft nur aus, wenn man ihnen die bloße Anweisung - wie 'Nimm ihn in den Mund' - gibt", erklärt er die Entscheidung des Gerichts, warum der Täter "nur" wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes angeklagt wurde. Die Mindeststrafe beträgt hier gleich wie bei einer Vergewaltigung zwei Jahre, die Höchststrafe 15 Jahre Haft.

Keine strafschärfenden Gründe

Die Strafe sei so gering ausgefallen, weil das Gericht "keine strafschärfenden Gründe, wie zum Beispiel Vorstrafen, beim Angeklagten festgestellt" habe, so Karin Witt, Sprecherin des Landgerichts Kiel. Die Alkoholisierung und die hohe Haftempfindlichkeit des Täters hätten sich darüber hinaus strafmildernd ausgewirkt: Der Täter sei jung, könne kein Deutsch und sei bereits in der U-Haft angegriffen worden. "Das Opfer hat die Tat gut weggesteckt, es sind keine schweren Folgen zu erwarten", erklärte Witt.

Freispruch für Komplizen

Der mutmaßliche Komplize des Sex-Täters sei aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Die Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch sei laut dem vorsitzenden Richter Stefan Becker nicht nachzuweisen gewesen. Angesichts der Beweislage habe man "im Zweifel für den Angeklagten" entscheiden müssen.

Bub in therapeutischer Behandlung

Der Rechtsanwalt Peter Boysen, der die Familie des Kindes vor Gericht vertrat, erklärte, dass es dem Buben schon wieder besser gehe. "Es war ein einmaliger Akt, der auch nicht sehr lange gedauert hat und dem Kind hoffentlich nicht langfristig schaden wird. Daher gibt es auch für uns keinen Grund, sich über das Urteil zu beschweren, auch wenn es vielleicht ein halbes Jahr länger hätte sein können", erklärte er gegenüber "Bild.de".

Er habe den Eltern deswegen nicht geraten, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Der Bub befinde sich derzeit in therapeutischer Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. "Die Familie ist froh, aus dem Heim raus zu sein. Sie lebt heute in einer eigenen Wohnung in Norddeutschland."

Abschiebung?

Ob der Täter abgeschoben wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden, da das Urteil nicht rechtskräftig sei. Erst nach der Prüfung einer Revision könne der Flüchtlingsstatus aberkannt und der Täter abgeschoben werden.

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