''So einen brauchen wir auch''
Deutsche Medien loben Kurz' Corona-Krisenmanagement
14.03.2020
In Deutschland gibt es bereits sieben Tote. Von solchen Maßnahmen wie in Österreich ist man dort aber noch weit entfernt. Das bringt der deutschen Regierung Kritik ein.
Im Kampf gegen das neue Coronavirus fährt Österreich "auf Minimalbetrieb" herunter: Die Orte Galtür, Ischgl, See und Kappl im Paznauntal sowie St. Anton am Arlberg wurden unter Quarantäne gestellt, nicht essenzielle Geschäfte müssen für eine Woche schließen und Lokale dürfen nur mehr bis 15.00 Uhr offen haben. Nachweislich infiziert mit dem Virus waren Freitagnachmittag 504 Personen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte am Nachmittag bei der Präsentation der Maßnahmen, dass das soziale Leben ab Montag auf ein Minimum reduziert werden müsse: "Österreich wird nicht auf Dauer, aber doch auf Zeit auf Minimalbetrieb herunterfahren müssen."
Diese beispiellosen Maßnahmen von Kurz und der Bundesregierung bringen dem Kanzler auch in Deutschland reichlich Sympathiepunkte. "So einen brauchen wir auch" titelt beispielsweise die "Bild" online und lobt die "Führungsstärke" des ÖVP-Kanzlers. Denn in Deutschland ist man von Lokalsperren & Co. noch weit entfernt. Aus Sorge vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus werden hier die meisten Schulen und Kitas in Deutschland ab der kommenden Woche geschlossen. Bis Freitagnachmittag kündigten 13 Bundesländer flächendeckende Schließungen an. "Wir sind gewillt, die Bundesregierung, aber auch die Bundesländer, der Deutsche Bundestag, alles zu tun, was notwendig ist, alles zu tun, was Deutschland braucht, damit wir durch diese Krise möglichst gut hindurchkommen", sagte Bundeskanzlerin Angelika Merkel.
Sieben Tote in Deutschland
In Deutschland sind mittlerweile sieben Menschen an einer Infektion mit SARS-CoV-2 gestorben. Beim siebenten Toten handelte es sich um einen 80 Jahre alten Mann in Baden-Württemberg. Deutschland hat mittlerweile mit mehr als 3.000 Infektionen zu kämpfen. Die Landesregierungen Bayerns, Niedersachsens und des Saarlands beschlossen entsprechende Schritte. Berlins Bürgermeister Michael Müller ordnete eine stufenweise Schließung ab Montag an. Zudem solle der öffentliche Nahverkehr in der deutschen Hauptstadt eingeschränkt werden. Andere Landesregierungen wie in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wollten noch im Lauf des Tages in Sonderkabinettsitzungen über weitere Schritte beraten.
Tirol macht alle Hotels dicht
Zusätzlich zu den rund 9.500 Einheimischen in den Tiroler Krisengebieten sind auch noch die Angestellten in den Hotels sowie die österreichischen Urlauber von der 14-tägigen Isolation betroffen. Um wie viele Personen es sich dabei handelt, war vorerst unklar. In ganz Tirol sind zudem alle Hotels von der Schließung wegen des Coronavirus betroffen, also nicht nur jene in den Skigebieten. Dies betonte LH Günther Platter (ÖVP) am Freitag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Ausnahmen gebe es nur für medizinisches Personal sowie im Geschäfts- bzw. Wirtschaftsbereich.
Am Freitagnachmittag sind die letzten heimischen Touristen, die noch in Italien festsaßen, nach Wien zurückgekehrt. Das Außenministerium hatte für rund 150 Urlauber einen Sonderflug mit einer AUA-Maschine organisiert. Die Rückkehrer kommen nun für 14 Tage in selbstkontrollierte Heimquarantäne.
Mit Stand 15.00 Uhr haben sich in Österreich insgesamt 504 Personen mit dem neuen Coronavirus infiziert. Nach Bundesländern: Tirol (167), Niederösterreich (63), Wien (82), Steiermark (52), Oberösterreich (84), Salzburg (23 - davon drei Personen nicht in Salzburg aufhältig), Burgenland (sieben), Vorarlberg (22) und Kärnten (vier).
Diese Zahlen dürften aber noch drastisch steigen: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von einer steigenden Ansteckungszahl von derzeit rund 40 Prozent täglich. Im Hinblick darauf begann die Stadt Wien damit, Vorkehrungen zu treffen, um bei Bedarf genügend Krankenbetten zur Verfügung zu haben. Die Messehalle in Wien-Leopoldstadt wird deshalb für ein Groß-Lazarett vorbereitet, wie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag bekannt gab. In einem ersten Schritt werden in der Halle A ab nächster Woche 880 Betten verfügbar sein.
Auch international - und vor allem in Europa - wurde der Kampf gegen das Coronavirus intensiviert. "Europa ist jetzt zum Epizentrum der Covid-19-Pandemie geworden", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Freitag in Genf. "Es werden jeden Tag mehr Fälle gemeldet als auf der Höhe der Epidemie in China", sagte er.
Tatsächlich nimmt trotz drakonischer Vorbeugungsmaßnahmen die Zahl der Coronavirus-Todesopfer in Italien weiterhin zu. Am Freitag wurden 250 zusätzliche Todesfälle gemeldet. Damit stieg die Zahl der Opfer seit Beginn der Epidemie am 21. Februar auf 1.266, teilte der Zivilschutz am Freitag in Rom mit. Die Infektionen kletterten um 2.126 auf 14.955 Fälle. 1.439 Personen sind inzwischen genesen.
Spanien ruft wegen der Corona-Krise den Alarmzustand aus. Diese Maßnahme solle am Samstag bei einem außerordentlichen Ministerrat verabschiedet werden, kündigte Ministerpräsident Pedro Sanchez am Freitag in Madrid an. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem neuen Virus SARS-CoV-2 lag am Freitag bereits bei 120 - 36 mehr als am Vortag. Mehr als 4.000 Menschen infizierten sich nach Angaben des Gesundheitsministeriums mit dem Covid-19-Erreger.
In Bulgarien wurde ein einmonatigen Ausnahmezustand mit sofortiger Wirkung erklärt. Diese drastische Maßnahme wurde am Freitag einstimmig vom Parlament in Sofia auf Vorschlag der bürgerlich-nationalistischen Regierung gebilligt.
Im Iran - dem Land mit der dritthöchsten Todeszahl in der Coronavirus-Pandemie - will das Militär nach eigenen Angaben nun rigoros durchgreifen. Geschäfte und Straßen des Landes sollten binnen 24 Stunden komplett "geleert" und alle Staatsbürger auf das Virus getestet werden, teilte die Armee am Freitag mit. Mit nur noch acht neu nachgewiesenen Virusfällen meldeten Chinas Behörden hingegen erneut einen neuen Tiefstand der Infektionen seit Beginn der täglichen Berichte über die Epidemie vor sieben Wochen gemeldet.
Infektionen mit dem Coronavirus haben mittlerweile weltweit rund 5.000 Menschenleben gefordert. Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP vom Freitag starben insgesamt 5.043 Menschen an den Folgen der Infektionskrankheit. Die Zahl basiert auf den offiziellen Behördenangaben der einzelnen Länder. Die Johns Hopkins Universität kam auf 4.981 Todesopfer.
Die meisten Todesfälle gab es demnach in China, Italien und dem Iran: Auf dem chinesischen Festland kamen nach den Zahlen der AFP 3.176 Menschen ums Leben. In Italien waren es 1.016. Die Zahl der bestätigten Infektionen stieg weltweit auf 134.300, der Universitätszählung zufolge sogar 135.382, die die Zahl der Genesenen mit 69.645 angab. Die Zahlen der Johns Hopkins Universität sind allerdings in Bezug auf ihre Aktualität mit einer gewissen Vorsicht zu genießen: Für Österreich wurden am Freitag noch 302 Infektionsfälle ausgewiesen, das Gesundheitsministerium meldete in der Früh bereits 422. Am Nachmittag waren es 432. Wie viele von diesen Menschen bereits wieder als genesen gelten, ist nicht bekannt. Betroffen sind laut AFP 121 Länder und Gebiete.
Im Iran starben nach neuesten Angaben 514 Menschen - das war ein Anstieg um 85 Todesfälle innerhalb von 24 Stunden, wie das Gesundheitsministerium in Teheran am Freitag mitteilte. Die Zahl der offiziell erfassten Ansteckungen mit SARS-CoV-2 stieg auf 11.364 - 1.289 mehr als am Vortag. Die meisten Infektionen gab es erneut in der Hauptstadt Teheran. Gleichzeitig seien 3.529 infizierte Patienten geheilt aus den Krankenhäusern entlassen worden, so ein Sprecher im Staatsfernsehen.
Die Corona-Krise trifft den Iran kurz vor dem persischen Neujahrsfest "Norus" (Neuer Tag) am 20. März. Obwohl die Regierung das Wort Quarantäne unbedingt vermeiden will, ist dies im Land de facto bereits der Fall. Reisen in die Provinzen sind während der Neujahrsferien verboten, die Autobahnen und Landstraßen dorthin von der Polizei gesperrt. Sogar in den Städten selbst sollten die Menschen am besten zuhause bleiben. Auch die zum Norus üblichen Besuche bei Verwandten sollten dieses Jahr unbedingt vermieden werden. "Wir sollten einfach die traurige Tatsache akzeptieren, dass dieser Norus anders sein wird und wir vieles nicht tun dürfen", sagte Sprecher Dschahanpur.
Unterdessen ist der außenpolitische Berater des obersten iranischen Führers wegen Infektions-Verdachts unter Quarantäne gestellt worden. Medienberichten zufolge wurden bei Ali-Akbar Welajati Anzeichen einer Covid-19-Erkrankung diagnostiziert. Er wurde daher von seinen Ärzten vorsichtshalber unter Quarantäne gestellt. Welajati ist einer der wichtigsten Berater von Führer Ajatollah Ali Chamenei und gilt daher als einer der einflussreichsten Politiker im Iran.
Für Diskussionen sorgte das Angebot von Erzfeind USA, dem Iran mit Corona-Kits, Medikamenten und sogar Fachärzten zu helfen. Das Außenministerium in Teheran hat dieses Angebot abgelehnt und erneut eine Aufhebung der Sanktionen gefordert. "Anstatt heuchlerische Empathie vorzuspielen, sollten die Amerikaner den wirtschaftlichen Terrorismus (Sanktionen) gegen den Iran beenden, damit wir selbst Medikamente kaufen und unsere Patienten selbst heilen können", twitterte Außenamtssprecher Abbas Mussawi am Freitag. Laut Teheran kann das Land wegen der US-Sanktionen keine Medikamente aus dem Ausland für erkrankten Patienten einführen.
Über 1.000 Tote in Italien
In Italien werden mittlerweile 1.016 Tote Infektionen mit dem Coronavirus zugerechnet. Mehr als 15.000 Menschen haben sich infiziert. Das öffentliche Leben ist weitgehend zum Stillstand gekommen. Nur Lebensmittelgeschäfte sind geöffnet, vor denen sich lange Schlangen bildeten. Die Kunden standen dabei mindestens einen Meter voneinander entfernt .Der Präsident der schwer betroffenen Region Lombardei, Attilio Fontana, denkt an noch drastischere Maßnahmen zur Eingrenzung der Infektionen. So prüft die Lombardei die Möglichkeit, Parks und Grünanlagen sowie Märkte zu schließen. Aus China erhielt Italien 30 Tonnen Hilfsgüter. Außerdem wurde ein Ärzteteam aus China entsandt.
Die Quarantäne-Maßnahmen haben aber auch ihre guten Seiten: Ein Boss der '́Ndrangheta, der Mafia in der süditalienischen Region Kalabrien, wurde festgenommen, nachdem Ermittler Personen beobachtet hatten, die ihm Lebensmittel in sein Versteck in der Provinz Reggio Calabria brachten.
In Großbritannien haben sich nach Einschätzung von Medizinern bereits bis zu 10.000 Menschen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 angesteckt. Mindestens zehn Menschen sind bisher gestorben. Angesichts dieser Lage gibt es starke Kritik am Krisenmanagement der Regierung. Der frühere Gesundheitsminister Jeremy Hunt zeigte sich "überrascht und besorgt", dass Großbritannien nicht schneller handle und zum Beispiel Großveranstaltungen verbiete.
In Kroatien wurden bisher 31 Infektionsfälle gemeldet, in Slowenien 89. Kroatien hat am Freitag verfügt, dass sich Einreisende aus Österreich in Selbstisolierung begeben müssen. Slowenien stoppte den Personenverkehr auf Straße und Schiene und den Frachtverkehr mit Italien.
Der erste Fall einer Coronavirus-Infektion wurde unterdessen aus dem UNO-Hauptquartier in New York gemeldet. Demnach wurde eine philippinische Diplomatin positiv getestet. In den USA schlossen mehrere Schulen. Der kanadische Regierungschef Justin Trudeau befindet sich in Quarantäne, weil seine Frau Sophie Gregoire Trudeau sich infiziert hat. Auch der australische Innenminister Peter Dutton hat eine Infektion mit SARS-CoV-2.
Die guten Nachrichten zur Coronavirus-Krise kommen seit Tagen aus China: Mit nur noch acht neu nachgewiesenen Virusfällen meldeten die Behörden erneut einen Tiefstand der Infektionen seit Beginn der täglichen Berichte über die Epidemie vor sieben Wochen. An der Lungenkrankheit Covid-19 starben zudem sieben weitere Menschen, wie die Pekinger Gesundheitskommission berichtete. Der tägliche Zuwachs der Todesfälle war ebenfalls der niedrigste seit Wochen.