ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl berichtet direkt aus der Krisenregion n Wiener: »Jet stürzte in unsere Siedlung«
Die meisten sind Hals über Kopf weg, haben kaum was mit, so wie Svetlana: Sie ist 32, zierlich, arbeitet in einer Zahnarztpraxis in Charkiw, zweitgrößte Stadt der Ukraine.
Jetzt sitzt sie mit ihrer Mutter (74) im Auto, sie sind unterwegs nach Mukatschewe im Südwesten der Ukraine. Sie wollen nach Ungarn. Zu Verwandten. Doch nichts geht mehr. Seit mehr als 24 Stunden stecken sie im Mega-Stau auf der M40 vor der Stadt Lemberg, die westlichste Großstadt der Ukraine: "Wir wollten nur mehr weg", erzählt sie. Ihre Augen sind gerötet, sie zittert, die Frau ist geschockt: "Im Minutentakt schlugen Raketen ein." Erst ein Zischen, dann schrilles Pfeifen, zuletzt der metallische Knall, grelle Blitze, markanter Verbrennungsgeruch: "Putin will uns vernichten, unsere Stadt ausradieren, unseren Willen brechen", erzählt sie.
Svetlana weiß nicht, ob ihr Mann noch lebt
Kämpfe. Nur Svetlanas Ehemann blieb zurück. Er ist Reservist, wurde eingezogen. Seit 72 Stunden ist er im Einsatz, sie weiß nicht, ob er noch lebt. Im Auto hinter ihr sitzt eine Familie aus Kiew. Zwei Mädchen (14,17), die Mutter (44). Auch sie wollen nach Ungarn. Ihre Wohnung in Kiew liegt direkt hinter dem Hotel Ukraine. Stadtzentrum. Regierungsviertel in Sichtweite: "Überall waren plötzlich russische Soldaten. Junge Männer. Es ist gekämpft worden. Schreie, Schüsse, Explosionen." Die Mädchen zeigen uns Handyvideos von ausgebrannten russischen Panzern in Kiew. Angeblich sind 300 russische Panzer und 500 Panzer wagen zerstört worden. Überprüfen lässt sich das nicht.
Flucht. Ich fahre weiter auf der E40 Richtung Kiew. Es sind noch 90 Kilometer. Ein Helikopter taucht auf. Raketen werden abgefeuert. Ziel ist unbekannt. Mein Kameramann Jure und ich, wir sind die Einzigen, die Richtung Osten fahren. Auf der Gegenseite kommen uns Zehntausende Autos entgegen. Alle vollgepackt. Ein Land auf der Flucht.
Abschuss. Ich rufe Walter Komarek an, österreichischer Unternehmer in Kiew. Er erzählt: "In der Nacht wurde ein russischer Jet abgeschossen. Er stürzte direkt in unsere Siedlung. Explodierte. Nichts blieb übrig."
Komarek verließ mit seiner Mutter die Stadt: "Wir haben ein Haus südlich von Kiew gefunden", sagt er: "Nie hätte ich damit gerechnet, dass Putin dazu fähig ist."