Herbert Bauernnebel, Korrespondent von ÖSTERREICH in New York, über das Flugzeug-Unglück - und New York danach.
“Es war eine echte Schrecksekunde”, sagt Andreas Launer, Vizekonsul am Österreich-Konsulat in der 69. Straße, bloß wenige Blocks von dem von einer Privatmaschine, Type “Cirrus SR-20”, des Baseballstars Cory Lidle getroffenen Apartmenthochhaus entfernt: Binnen Minuten wären dutzende Helikopter über dem Bezirk geknattert, dazu das “durchdringende Sirenengeheul” hunderter heranrasender Einsatzfahrzeuge, was zunächst alles beängstigend an den 11. September erinnerte.
Ohrenbetäubender Knall
Susanne Barton, eine Mitarbeiterin des Konsulats, lief panisch auf die Straße, da zunächst auf CNN fälschlicherweise ihre Adresse als Flugzeug-Crash-Ort genannt worden war. Getroffen wurde jedoch das Nachbarhaus, ein fünfzigstöckiger Skyscraper namens “Belaire Condominium”, 524 East 72. Straße, gleich am East River. “Meine drei Katzen waren zu Hause”, erzählt Barton am Telefon, nachdem sie nach einer stundenlangen Odyssee durch tausende Einsatzkräfte und mit Flugzeugteilen übersäte Straßen spät Abends zu Hause ankam. “Die Katzen waren völlig verängstigt”, sagt sie, “der Knall war ja durch die halbe Stadt zu hören”. Alle dachten natürlich sofort an einen neuen Terroranschlag, so Barton.
Immer noch geschockt
Wenige Blocks entfernt rannte Ali Sene, Angestellte des französischen Konsulates, aus dem Gebäude. Ihre viereinhalbjährige Tochter Chiara hielt sich im Kindergarten nur wenige Blocks von dem rauchenden Appartementturm entfernt aus. Als der Einschlag durch die Hochhausschluchten hallte, wurden die Kinder prompt im Eiltempo evakuiert. “Ich wusste zunächst gar nicht”, erzählt Sene immer noch geschockt, “wo ich nach meiner Tochter suchen soll”. Hektische Telefonate führten dann zu einer Wiedervereinigung.
New York lahm gelegt
Für einige Stunden kam das pulsierende New York zum totalen Stillstand: Menschentrauben bildeten sich vor Schaufenster-Fernsehern, wo alle erdenklichen Einstellungen des Feuers und des Chaos liefen, teils weinende Passanten suchten nach Infos auf Handies und Blackberrys, oder Telefonierten mit Freunden und Familienmitgliedern in aller Welt – falls die völlig überlasten Netze das überhaupt zuließen. Am weltberühmten “Times Square” starrten Tausende gebannt in eine Riesenleinwand, als ein Au-genzeuge aufgeregt herumfuchtelt: “Das Flugzeug ist regelrecht ins Wohnzimmer von jemanden geflogen”.
Dann folgte ein kompletter Verkehrsinfarkt. “Praktisch alle Geschäftsmeetings wurden abgesagt”, erzählt Filmemacher Ily Huemer, der an einem Immobilienprojekt arbeiten wollte, und sich wundert, dass selbst das katastrophenerprobte Post-9/11-New York derart leicht zum Erliegen kommen könne.
Arnie sagte Treffen ab
Mit New York hielt die ganze Nation kurz den Atem an. Das Luftabwehr-kommando “NORAD” – das am 11. September blamabel versagte – ließ über den wichtigsten US-Metropolen Kampfflieger aufsteigen. In Kalifornien fasste sich Gouverneur Arnold Schwarzenegger bei einem Wahlkampfstopp am Airport in San Franzisko auffallend kurz – ein geplantes Treffen mit Österreichs US-Botschafterin Eva Nowotny, die im Rahmen ihres einwöchigen Aufenthaltes an der US-Westküste mit Arnie die Austro-Kalifornische Zusammenarbeit weiter ankurbeln wollte, kam nicht zustande.
Wenig später rasten F-16-Kampfjets im Tiefflug über den Airport in San Franzisko. Militärmaschinen wurden neben New York auch über Los Angeles, Washington D.C., Chicago und Seattle gesichtet. In den Airporthallen wurde per Non-Stopp-Durchsagen die zweithöchste Terrorwarnstufe “Orange” ausgerufen. Für wenige Stunden wurde klar, wie tief der Schrecken des 11. September den Amerikaner noch in den Knochen sitzt.