Im zerstörten Atomkraftwerk Fukushima ist die Lage außer Kontrolle. Ein Bilder-Beweis.
Die Lage im Katastrophen-Atomkraftwerk Fukushima eins in Japan ist vollkommen außer Kontrolle. Nach weiteren Feuern an zwei Reaktoren und einem starken Anstieg der Strahlung mussten sich die Arbeiter am Mittwoch aus dem Kraftwerk zurückziehen und ihre Arbeiten vorerst einstellen. Die Regierung forderte auch im Ausland Hilfe an.
Hier gehts zum Live-Ticker
Deutlich zu erkennen: Die Außenwand des Reaktor-Blocks Nr.4 ist geborsten.
50 Arbeiter kämpfen derzeit gegen das atomare Desaster. Zwischenzeitlich mussten sie wegen zu hoher Strahlung das Kernkraftwerk verlassen.
Der Druck und die Hitze waren zu groß.Letzten Meldungen zufolge soll auch das Dach von Block 4 eingestürzt sein.
In der Nacht auf Mittwoch brachen zudem neue Brände in den Blöcken 3 und 4 aus.
Keine Guten Nachrichten auch aus dem Reaktorblock 1: Hier steigt Mittwochfrüh Qualm auf.
Die Lage in Fukushima ist außer Kontrolle.
Gespenstischer Blick über das Kraftwerk.
Hier ein Bild aus früheren Zeiten.
So schaut Fukushima nach dem Tsunami aus.
Auch bei dem etwas abseitsstehenden Block 5 ging die Behörde von einer kritischen Situation aus. Der Wasserpegel sei innerhalb von fünf Stunden um 40 Zentimeter gefallen.
In vier Blöcken droht jetzt die Kernschmelze. Es wurde die zweithöchste Atom-Alarmstufe ausgegeben. Die Betreiberfirma hat den Kontrollraum aufgegeben. Das Dach von Reaktor 4 ist eingestürzt.
Feuer in zwei Reaktoren
Am Mittwoch fingen sowohl Reaktor 4 als auch Reaktor 3 Feuer. Zudem wurde in Block 3 womöglich die wichtige innere Reaktorhülle beschädigt, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Mittwoch nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo. Das Fernsehen zeigte Bilder, wie stundenlang dichte Rauchschwaden von der Anlage aufstiegen.
Radioaktivität steigt
Die radioaktive Strahlung in der Anlage erreichte neue Rekordmarken. Japan wandte sich nun auch an die USA. Unterstützung der US-Truppen könnte nötig sein, sagte Edano. Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete zudem, dass die Regierung auch dem Einsatz ausländischer Ärzte für die Erdbebenopfer zustimme. Südkorea will einen Teil seiner Reserven des Halbmetalls Bor nach Japan schicken. Damit sollen die schwer beschädigten Atomreaktoren im Kraftwerk stabilisiert werden.
Am Mittwoch überschlugen sich die Schreckensnachrichten: Zunächst fing in der Früh Reaktor 4 Feuer, ausgelöst vermutlich durch eine Wasserstoffexplosion, wie der Sender NHK berichtete. Auch von Reaktor 3, wo Brennstäbe mit hochgiftigem Plutonium gelagert sind, stieg wenig später Rauch auf. Auf eine Explosion dort gebe es aber keine Hinweise, sagte Edano bei einer Pressekonferenz. Später hieß es, der Druck im Reaktormantel von Block 3 sei stabil geblieben.
Hülle beschädigt
In dem Unglücks-Atomkraftwerk gab es seit dem Tsunami am Freitag in den Reaktoren 1 bis 4 mehrere Explosionen und Brände. Am Dienstag hatte es schon geheißen, dass die Reaktorhülle in Block 2 beschädigt sein könnte. Dieser Schaden könnte nach Angaben der japanischen Atomsicherheitsbehörde auch der Grund für die hohe Strahlung sein. Der Tsunami hatte das Kühlsystem des Atomkraftwerks zerstört, weshalb die Brennstäbe nicht mehr gekühlt werden können. Eine Kernschmelze wird seit Tagen vermutet.
Helis sollen Feuer löschen
Löscharbeiten waren Mittwoch früh (Ortszeit) offensichtlich unmöglich. Erst sollten Hubschrauber zum Löschen eingesetzt werden. Dies sei aber zu gefährlich, sagte Edano. Auch sei die Strahlung zu hoch, als dass Mitarbeiter auf das Gelände könnten. Ob nun alle verbliebenen Mitarbeiter endgültig abgezogen werden sollen, war unklar. Im Fernsehsender NHK sagte ein Sprecher der Atomaufsicht, die Menschen könnten nicht mehr in den Kontrollraum. Sie seien in sichereren Räumen untergebracht.
Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete, dass der Rauch am Reaktor 3 direkt vom Behälter mit den Brennstäben kommen könnte. Am Sonntag war in dem Reaktor die Kühlung ausgefallen. Danach explodierte freigewordener Wasserstoff. Das äußere Gebäude wurde zerstört.
1.000 Millisievert gemessen
Die Strahlung an dem Atomkraftwerk erreichte in der Nacht auf Mittwoch den Höchstwert von 1.000 Millisievert
(1 Sievert), berichtete Edano. Mittwoch früh sei der Wert bei weiteren Messungen zwischen 600 und 800 Millisievert gelegen.
30-km-Sperrzone
Auch nach den neuen Vorfällen gebe es keine Pläne, die Evakuierungszone rund um das Atomkraftwerk auszuweiten, sagte Edano. Aktuell gilt ein 30-Kilometer-Radius. Anrainer, die diese Zone trotz der Evakuierungsanordnung noch nicht verlassen haben, sollen Türen und Fenster geschlossen halten.
Tokio: Zehnmal höhere Strahlenbelastung
In Tokio war die Strahlenbelastung nach offiziellen Angaben zehnmal höher als normal, aber noch immer keine Belastung für die Gesundheit. Viele der 13 Millionen Einwohner blieben dennoch in ihren Wohnungen. Züge und Straßen waren leer wie an einem Feiertag. Viele Geschäfte und Büros blieben geschlossen. Der Tokioter Aktienmarkt verzeichnete nach einem Kurssturz am Dienstag wieder Gewinne. Der Nikkei-Index legte bis zum Nachmittag (Ortszeit) um 3,4 Prozent zu.
Versorgungslage dramatisch
Die Versorgungslage
in Teilen des Landes wird unterdessen immer schlimmer: Die Regierung rief die Bevölkerung auf, keine Hamsterkäufe mehr an Tankstellen zu machen und Energie zu sparen. Die Menschen sollten ihren Gas- und Treibstoffverbrauch einschränken, sagte Edano. Derzeit werde alles versucht, um dringend benötigtes Gas und Kraftstoffe in die Katastrophengebiete zu bringen.
Rückblick: Tsunami brachte Tod und Zerstörung
Am Freitag hatten ein Erdbeben und ein Tsunami den Nordosten Japans verwüstet. Die offizielle Zahl der Toten steht bei 3.373. Das meldete der TV-Sender NHK Mittwoch früh unter Berufung auf die Polizei. Die Zahl der Vermissten geht nach wie vor in die Tausende. Weiter hieß es, dass 440.000 Menschen in 2.400 Notunterkünften lebten. Dort mangle es teilweise am Nötigsten wie Wasser oder Essen.
Zudem seien im Nordosten Japans 850.000 Haushalte bei Temperaturen um den Gefrierpunkt noch immer ohne Strom. Das meldete NHK nach Angaben des Energieversorgers Tohuku. Die Naturkatastrophen hätten 76.000 Gebäude beschädigt und mindestens 6.300 weitere komplett zerstört.
Wind treibt Strahlenwolke aufs Meer
Nach Vorhersagen der japanischen Wetterbehörde sollte der Wind in den nächsten Stunden Richtung Osten und somit hinaus auf das Meer wehen. Im Großraum Tokio, 260 Kilometer südlich von Fukushima gelegen, geht die Angst vor einer radioaktiven Wolke um.