Abhör-Skandal

Spionage-Affäre belastet EU-US-Beziehungen

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William Kennard soll mit EU-Spitzendiplomaten Pierre Vimont sprechen.

Das mutmaßliche Ausspionieren von EU-Einrichtungen durch den US-Geheimdienst NSA vergiftet das Klima zwischen EU und den USA. Stark empört zeigte sich das besonders betroffene Deutschland "Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel, das geht gar nicht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Doch auch das österreichische Außenministerium bestellte US-Botschafter William Eacho ein. Außenminister Michael Spindelegger persönlich habe ihm die Besorgnis der Österreicher angesichts der in den Medien erhobenen Vorwürfe ausgedrückt, hieß es danach aus dem Ministerium.

EU lädt US-Botschafter vor
Die Aktion war auf europäischer Ebene koordiniert, auch Belgien, Frankreich oder Deutschland setzten ähnliche Schritte. Die EU bestellte ihrerseits den US-Botschafter bei der Europäischen Union, William Kennard, ein und kündigte an, ihre Gebäude überprüfen zu wollen.

Obama versucht Wogen zu glätten

US-Präsident Barack Obama bemühte sich unterdessen, die Wogen zu glätten und sicherte den Europäern alle gewünschten Informationen zu. Zuvor hatte bereits US-Außenminister John Kerry zu beruhigen versucht: Es sei "nicht unüblich", dass Staaten Informationen über andere Länder sammelten, sagte Kerry am Montag nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton im südostasiatischen Brunei.

Freihandelsabkommen wackelt
Der Fall belastet auch die anstehenden Gespräche über das transatlantische Freihandelsabkommen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding forderte, die Verhandlungen erst aufzunehmen, wenn die USA die Vorwürfe aufgeklärt haben. Rückendeckung bekam sie von Frankreich und Deutschland.

Solange Washington keine Garantien zur Einstellung der Spionageaktivitäten abgebe, könne es keine "Verhandlungen oder Transaktionen" zwischen den USA und Frankreich oder der EU geben, erklärte der französische Präsident Francois Hollande. Für Gespräche über ein Freihandelsabkommen sei gegenseitiges Vertrauen nötig. Sollten die Berichte über die massive Ausspähung der Europäer durch die NSA zutreffen, "dann wäre es ein Fall, wo man Vertrauen erst einmal wieder herstellen müsste," hieß es vonseiten der deutschen Regierung.

Keine US-Spionage in Österreich
In Österreich gibt es nach Angabe des Innenministeriums gegenwärtig keine Hinweise auf US-Spionageaktivitäten gegen österreichische Regierungsstellen. Spindelegger habe von US-Botschafter Eacho dennoch eine rasche Aufklärung der Vorwürfe gefordert, erklärte das Außenamt Montagabend gegenüber der APA. Eacho habe versichert, die Besorgnis an die "entsprechenden Kanäle" weitergeben zu wollen und eine "Reaktion in Aussicht gestellt".

Der "Spiegel" hatte berichtet, die USA spähten gezielt EU-Einrichtungen in Brüssel, Washington und New York aus. Danach können Geheimdienstler mit Wanzen und dem Einbruch in Computernetze Besprechungen belauschen und auf E-Mails und vertrauliche Dokumente zugreifen. Der "Guardian" berichtete zudem, zu den Angriffszielen der NSA zählten auch die Botschaften Frankreichs, Italiens und Griechenlands sowie anderer US-Bündnispartner wie Japan, Mexiko, Südkorea und die Türkei. Großbritannien, Deutschland und andere westliche Verbündete tauchten auf der Liste dagegen nicht auf.

Im Gespräch mit der APA zeigte sich der Historiker und Geheimdienstexperte Siegfried Beer wenig überrascht von den Vorwürfen. Wer etwas realistisch sei, wisse, dass die in den Medienberichten angesprochenen Praktiken bei Geheim- und Sicherheitsdiensten üblich seien und aus deren Sicht eine "Routineangelegenheit", erklärte Beer. "Daher nehme ich den Politikern die Empörung nicht ganz ab." In der Geschichte hätten Geheimdienste stets nicht nur die Feinde des eigenen Landes, sondern auch die eigenen Freunde überwacht. "Schließlich ist auch die EU nicht nur Partner sondern auch ein Konkurrent für die USA", so der Geheimdienstspezialist.

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