London

Sprengt England jetzt die EU?

08.05.2015

David Cameron ist der große Wahlsieger: Nun droht Briten-Ausstieg aus der EU. 

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© EPA
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„Es ist der süßeste Sieg von allen.“ Lächelnd posierte David Cameron Freitag früh vor der Downing Street 10 und ließ sich als Wahlsieger feiern. Der Premier entschied das von Meinungsforschern so eng vorhergesagte Rennen mit Labour am Ende klar für sich. Er holte die absolute Mehrheit von 331 der 650 Mandate. Das ermöglicht ihm die Alleinregierung.

Köpferollen bei der Cameron-Konkurenz
Die Labour Party von Herausforderer Ed Miliband enttäuschte völlig und kam nur auf 232 Sitze, Miliband trat sofort zurück. Die schottischen Nationalisten (SNP) schafften die Sensation und holten 56 Sitze und Platz 3. Enttäuschung pur hingegen bei den Eurohassern von UKIP mit Parteichef Nigel Farage: Er schaffte es nicht ins Parlament und trat zurück. Auch Nick Clegg von den Liberaldemokraten nahm den Hut.

 

Grafik APA

Bei EU-Referendum droht der "Brexit"
Der Sieg Camerons ist für Europa jedoch fatal: Der britische Premier, der seit jeher eine Sonderrolle in der EU einnimmt, kündigte vor den Wahlen an, spätestens 2017 ein EU-Referendum abhalten zu wollen. Dabei droht Europa der Briten-Ausstieg.

Dieser sogenannte „Brexit“ (Kunstwort aus „Britain“ und „Exit“) würde Europa ins Chaos stürzen. Die Konjunkturentwicklung könnte gebremst werden, Großbritannien den Zugang zum ­europäischen Binnenmarkt verlieren, britische Exporteure erhebliche Nachteile erfahren und ausländische Banken ihre Mitarbeiter aus London abziehen.

Laut Experten hängt jetzt viel davon ab, was die EU den Briten bietet. „Die EU muss eine Diskussion beginnen, welchen Preis der Rest der EU zu zahlen bereit ist, um Großbritannien als Mitglied zu halten“, so Fabian Zuleeg vom Brüsseler Think Tank European Policy Center. Das Referendum sei aus EU-Sicht aber noch lange nicht verloren, meint der Experte.

Wie kann die EU Briten nun zufriedenstellen?
Im Idealfall stellt die EU Cameron mit vertretbaren Zugeständnissen zufrieden. Er würde 2017 das Referendum abhalten, aber gleichzeitig offensiv für den Verbleib in der Union werben. EU-Chef Jean-Claude Juncker will daran nicht denken: „Ich kann mir die EU ohne das Vereinigte Königreich nicht vorstellen“, so sein Credo (prj)

 

Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky:

›Europa muss nun genau überlegen‹

ÖSTERREICH: Cameron will ein EU-Referendum anstrengen. Was droht Europa, wenn die Briten tatsächlich aussteigen würden?

Franz Vranitzky: Die EU würde dann ein wichtiges wirtschaftliches und weltpolitisches Mitglied verlieren. Ob es für die Briten die erhoffte Verbesserung ist, steht in den Sternen. Auch für Großbritannien ist der Kontinent ein wesentlicher Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor. Die Europäer müssen sich genau überlegen, welche Bedingungen die Briten stellen. Bisher hört man abenteuerliche Dinge: Sie wollen Mitgliedschaft ablegen, aber die Freiheiten der EU-Mitglieder uneingeschränkt haben.

ÖSTERREICH: Welche Aufgabe wartet auf Europa?

Vranitzky: Das Gesetz des Handelns liegt in erster Linie bei Cameron. Einige große europäische Finanzinstitute überlegen, ob sie in London bleiben. Das sind weitreichende Konsequenzen. Ich gehe davon aus, dass die Entscheidungsträger in Gespräche treten. (prj)

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