Plant Mullah-Regime den Gegenschlag?
Sprit-Proteste im Iran eskalieren: Mehrere Tote
16.11.2019
Im ganzen Land brennen Autos und Tausende protestieren. Jetzt wurden Internet und Mobilfunknetz gekappt. Viele befürchten nun eine gewaltsame Zerschlagung der Demonstrationen.
Im Iran ist es wegen der Erhöhung der Treibstoffpreise nach Angaben des Nationalen Widerstandsrates Iran (NWRI) ins insgesamt 60 Städten zu Protesten und Ausschreitungen gekommen. Dabei seien mindestens sechs Demonstranten ums Leben gekommen, heißt in einer am Samstag der APA übermittelten Aussendung des NWRI, besser bekannt als "Volksmujaheddin".
In Sirjan im Zentrum des Landes versuchten Demonstranten, ein Benzinlager in Brand zu setzen. Polizei, Revolutionsgarden und die Bassij-Milizen verhinderten dies jedoch. Auch in anderen Städten kam es zu Protesten.
Nun bereitet das Mullah-Regime offenbar den Gegenschlag vor. Nachdem das Internet und auch das Mobilfunknetz vielerorts gekappt wurden, befürchten viele nun gewaltsame Zerschlagungen der Proteste durch das Regime.
Die Regierung im Iran hatte am Freitag die Ausgabe von Benzin eingeschränkt und die Spritpreise um mindestens 50 Prozent erhöht. Mit den zusätzlichen Einnahmen will Präsident Hassan Rouhani neue Hilfen für 60 Millionen Bedürftige finanzieren.
Proteste in 60 verschiedenen Städten
Wenige Stunden nach der Ankündigung brachen am Freitagabend in 60 Städten Proteste aus, Demonstranten blockierten vielerorts die Straßen. An einigen Orten ging die Polizei nach Angaben des staatlichen Fernsehens mit Tränengas gegen die Menschen vor.
In Sirjan kam bei den Protesten ein Mensch ums Leben. Die Todesursache sei unklar, zitierte IRNA den Interims-Gouverneur von Sirjan, Mohammad Mahmoudabadi. Die Sicherheitskräfte hätten keine Schießerlaubnis gehabt, erklärte Mahmoudabadi demnach. "Sie durften nur Warnschüsse abgeben, was sie auch getan haben." Er sprach von einer ursprünglich "ruhigen Versammlung", die von einigen jedoch genutzt worden sei, um öffentliches Eigentum zu zerstören, Tankstellen zu beschädigen und Benzinlager anzugreifen.
In Ahvaz legten zudem "Randalierer" in einer Bank Feuer, wie das staatliche Fernsehen auf seiner Website berichtete. In der Stadt Khorramshahr hätten "verdächtige, unbekannte Bewaffnete" auf Menschen gefeuert und einige verletzt.
Am Samstag gingen erneut Iraner in mehreren Städten auf die Straße. In einigen Orten protestierten Autofahrer IRNA zufolge gegen die neuen Benzinpreise, indem sie ihr Auto auf offener Straße abstellten und so für Staus sorgten.
Die neue Regelung der Regierung sieht vor, dass Autofahrer mit einer Benzinkarte fortan monatlich 60 Liter zum Preis von 15.000 Rial (0,11 Euro) erhalten können. Für jeden weiteren Liter zahlen sie 30.000 Rial (0,22 Euro). Sprit wird im Iran extrem subventioniert. Ein Liter Benzin kostete bisher nur 10.000 Rial (0,07 Euro). Schon seit 2007 gibt es Benzinkarten, um den Schmuggel von Benzin einzudämmen, doch hatten sie bisher wenig Auswirkungen für die gewöhnlichen Autofahrer.
Niedrige Preise - hoher Verbrauch
Präsident Rouhani erklärte am Samstag, dass derzeit 75 Prozent der Iraner "unter Druck" stünden. Die zusätzlichen Einnahmen würden ihnen zugutekommen und nicht in die Staatskasse fließen, versprach er. Der Präsident hatte bereits im Dezember versucht, eine Erhöhung des Spritpreises durchzusetzen. Das Vorhaben wurde jedoch vom Parlament verhindert.
Wegen der extrem niedrigen Preise ist der Benzinverbrauch der Iraner sehr hoch. Nach Angaben der Nachrichtenagentur IRNA liegt der durchschnittliche Verbrauch der 80 Millionen Einwohner des Landes bei 90 Millionen Liter pro Tag. Schätzungen zufolge werden täglich 10 bis 20 Millionen Liter außer Landes geschmuggelt.
Die iranische Wirtschaft ist seit Mai vergangenen Jahres stark angeschlagen. Damals zogen sich die USA einseitig aus dem internationalen Atomabkommen zurück und verhängten neue Sanktionen gegen das Land. In der Folge stürzte die Landeswährung ab, die Inflation liegt derzeit bei über 40 Prozent. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet damit, dass die iranische Wirtschaft heuer um neun Prozent schrumpfen und 2020 stagnieren wird.