Immer mehr Asylsuchende stranden in dem krisengebeutelten Land.
Die Flüchtlingskrise stürzt Griechenland ins Chaos. Die griechisch-mazedonische Grenze wird zu einem Nadelöhr: Nur noch wenigen Syrern und Irakern wird die Weiterreise nach Mitteleuropa erlaubt, zwischendurch schließt die Grenze komplett. Aber die Flüchtlinge kommen weiter über die Adria in das EU-Land, wo sie mit Verzweiflung auf die ausweglose Lage reagieren.
Lager überfüllt
"Man hat uns empfohlen, vorerst hier am Hafen zu bleiben, weil die Lager bereits überfüllt sind", berichtet ein Syrer, der Mittwochfrüh von der Insel Chios nach Piräus kam. "Hier gibt es wenigstens eine Toilette, und es ist halbwegs sicher", fügt er hinzu. Unter den Flüchtlingen ist bekannt, dass der Viktoria-Park im Zentrum Athens gefährlich und verdreckt ist. Dort wollen sie mit ihren Kindern nicht hin. Aber in den Norden des Landes können sie auch nicht weiterreisen - es fahren keine Busse, weil die Straßen von den Bauern des Landes blockiert werden, die seit Wochen gegen die Sparauflagen der Geldgeber streiken.
Aus für "Politik des Durchwinkens"
Es scheint, dass die Politik des Durchwinkens nun für Griechenland ein Ende hat. Ein Flüchtlingslager bei Thessaloniki wurde geöffnet, obwohl es noch gar nicht fertig war - weil die Menschen irgendwo untergebracht werden mussten. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi warnte vor einem Rückstau: Während die Grenze zu Mazedonien fast geschlossen ist, kommen die Menschen weiter in Booten aus der Türkei über die Ägäis. "Man kann im Meer keine Mauern bauen", sagt ein Offizier der Küstenwache von Chios.
Österreich als Hauptschuldiger
Als Hauptschuldigen am "Flüchtlingschaos" haben die Medien Österreich ausgemacht. Die Alpenrepublik sei der Anführer der Ländergruppe, die vorbei an EU-Beschlüssen die Schließung der Grenzen fördere, schrieb die konservative Athener Zeitung "Eleftheros Typos". "Österreich provoziert", kommentierte das Blatt. "Endlose Flüchtlingstrecks - der Kurs führt in die Sackgasse", lautete auch der Tenor der linken Athener Zeitung "Efimerida ton Syntakton".
Blockade der EU-Beschlüsse
Und was macht die Regierung in Athen? Im Hau-Ruck-Verfahren werden nun - zu spät, wie Beobachter urteilen - alte Kasernen für die Aufnahme von Migranten geöffnet. Gleichzeitig sorgte der linke Regierungschef Alexis Tsipras am Mittwochabend für Aufsehen: Er kündigte an, Athen werde künftig EU-Beschlüsse blockieren, solange die getroffenen Vereinbarungen über die Umverteilung der Flüchtlinge unter allen EU-Staaten nicht in die Tat umgesetzt würden.
"Ein Paukenschlag", finden Analysten des politischen Geschehens in Athen. Gleichzeitig fragen sie sich, inwiefern das wirtschaftlich und finanziell ohnehin völlig geschwächte Land, das am Tropf der internationalen Geldgeber hängt, wirklich mit Vetos drohen kann. Mitarbeiter des Regierungschefs wollten trotz wiederholter Anfragen nicht verraten, welche EU-Beschlüsse genau Athen blockieren würde.
Beschwerde über Entwicklung
Alexis Tsipras rief am Mittwochabend auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel an und beschwerte sich über die Entwicklung. Österreich und andere EU-Staaten würden Mazedonien anstacheln: Sie versprächen dem Land militärische Hilfe und Unterstützung bei der weiteren Annäherung an die EU im Austausch für die Schließung der Grenze zu Griechenland, heißt es aus Regierungskreisen. Demnach berief sich Tsipras bei dem Telefonat auf ein Versprechen Merkels und des französischen Präsidenten Francois Hollande vor wenigen Tagen, sie würden alles tun, damit die Balkanroute bis zum Gipfel der EU mit der Türkei am 7. März offen bleibt. Dieses Versprechen sei nicht eingehalten worden, beschwerte sich Tsipras.
Schlepper
Den Preis dieser dramatischen Entwicklungen zahlen die Menschen. Tausende Migranten wissen nicht, wohin. In Bussen wurden sie von der Grenze ins Landesinnere zurückgebracht. Zahlreiche Afghanen harrten am Viktoria-Platz und Omonia-Platz in Athen aus. Dort warten die Schlepper. Die verzweifelten Migranten versuchen, für die Weiterreise Kontakte mit neuen Mittelsmännern zu knüpfen. Und die reiben sich bereits die Hände: "Man hat uns einen Preis von 3.000 Euro pro Kopf genannt, um uns über Albanien auf dem Landweg oder über Italien an Bord einer Fähre und versteckt in Containern nach Mitteleuropa zu bringen", berichtet ein älterer Afghane im griechischen Fernsehen. "Wir sind 17 Menschen, eine ganze Familie. Wo sollen wir das Geld hernehmen?"
Letzte Hoffnung: Ägäis
Die letzte Hoffnung für Griechenland liegt in der Ägäis: Es ist der NATO-Einsatz entlang der Meeresgrenzen des Landes mit der Türkei, der von allen Seiten mit Argusaugen beobachtet wird. Wird die NATO den Menschenschmugglern das Handwerk legen können, lautet die bange Frage.