Schlagabtausch

Steinbrück kritisiert Merkels Spartherapie

18.10.2012

Nötig sei ein echter Wachstums- und Beschäftigungspakt für Europa.

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Der deutsche SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Rededuell im deutschen Bundestag schweres Missmanagement in der Euro-Schuldenkrise vorgeworfen. Steinbrück unterstellte der Kanzlerin im ersten Schlagabtausch seit seiner Nominierung ein "Doppelspiel". Sie habe Griechenland-Mobbing aus ihrer Koalition heraus zugelassen. Merkel schlug als neues Hilfsinstrument für Krisen-Staaten einen Solidaritätsfonds vor, der aus der milliardenschweren Finanztransaktionssteuer gespeist werden könnte. Es soll ausschließlich um konkrete Projekte gehen.

Erstes Rededuell
Für die Kanzlerin und ihren ehemaligen Finanzminister war dies am Donnerstag das erste direkte Rededuell ein Jahr vor der Wahl, die vermutlich im September 2013 stattfinden wird. Merkel verzichtete in einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel auf direkte Angriffe gegen ihren Herausforderer. Bei SPD und Grünen bedankte sie sich sogar für die Unterstützung bei bisherigen Euro-Rettungspaketen. An den entscheidenden Stellen habe sich die große Mehrheit des Parlaments "immer zusammengerauft".

Konkret schlug Merkel einen Solidaritätsfonds zur Unterstützung von Reformen in europäischen Krisenländern vor, der aus den Einnahmen der geplanten Finanztransaktionssteuer gespeist wird. Zugleich unterstützte sie den Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen stärkeren EU-Währungskommissar. Brüssel brauche bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin "echte Durchgriffsrechte". Zur Kritik an Schäuble sagte sie: "So bauen wir ein glaubwürdiges Europa nicht, wenn wir alles sofort vom Tisch wischen."

Steinbrück warf Merkel hingegen vor, die Bedeutung des Projektes Europa über die aktuelle Krisenpolitik hinaus nicht ausreichend zu erklären. Die CDU-Vorsitzende habe zugelassen, dass aus den eigenen Reihen über Monate hinweg "Mobbing gegen Griechenland" betrieben worden sei. "Sie haben laviert." Deshalb gebe es in Europa jetzt viel "zerschlagenes Porzellan". Weder Helmut Kohl noch ein anderer Vorgänger hätten es zugelassen, einen EU-Partner für derart "innenpolitische Händel" zu missbrauchen.

Wachstum zu wenig angekurbelt
Der SPD-Kandidat hielt der Bundesregierung auch vor, zu wenig zur Ankurbelung des Wachstums zu unternehmen. "Aus einer einseitigen Krisenanalyse folgt eine einseitige Therapie: Sparen, sparen, sparen." Zugleich strenge sich die schwarz-gelbe Koalition zu wenig an, um das deutsche Haushaltsdefizit zu senken. Wörtlich sagte Steinbrück: "Vorsichtig formuliert: Es gibt von dieser Bundesregierung keine Vorreiterrolle beim Schuldenabbau in Europa."

Erforderlich sei nun ein echter Wachstums- und Beschäftigungspakt sowie eine wirksame Banken- und Finanzmarktregulierung. Zur geplanten Bankenunion müsse ein Fonds zur Rekapitalisierung von Instituten gehören. Dieser solle aber nicht von den Steuerzahlern, sondern der Branche selbst gespeist werden. Aus der Euro-Krise sei mehr als eine Währungskrise geworden. "Wir merken, dass uns diese Krise mehr als Geld kosten könnte - nämlich die Legitimation durch unsere Bürger."

"Selten war Deutschland in Europa so isoliert wie heute", warf Steinbrück der Kanzlerin vor. Europa dürfe nicht nur am Wert seiner Zinssätze gemessen werden. Deutschland werde im Konzert mit anderen europäischen Staaten mit Blick auf Griechenland weitere Verpflichtungen übernehmen müssen, sagte der frühere Finanzminister. Europa sei "weit mehr als ein Wechselbalg der Ratingagenturen".

Griechenland soll in Euro-Zone bleiben
Merkel bekräftigte, dass Griechenland in der Euro-Zone gehalten werden soll. Die Kanzlerin machte erneut klar, dass nach Vorliegen des Troika-Berichts der Bundestag über die mögliche Auszahlung weiterer Tranchen zu entscheiden habe. Das Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag und Freitag werde gewiss nicht der letzte Gipfel zur Krise sein. Zugleich gelte aber: "Manches ist bereits geschafft. Wir können die Konturen einer Stabilitätsunion bereits deutlich erkennen."

Die Grünen forderten Merkel auf, bei der Rettung Griechenlands die Karten auf den Tisch zu legen. "Sagen Sie doch die ganze Wahrheit", forderte Fraktionschefin Renate Künast in der Bundestagsdebatte. Das von Berlin vorgeschlagene Sperrkonto, auf das die nächste Tranche der Griechenlandhilfen ohne Zugriff der Athener Regierung fließen soll, nannte Künast eine krude Idee. Die Bundesregierung traue sich nicht zu sagen, es gebe ein drittes Rettungsprogramm. Die Grünen-Politikerin warf Merkel vor, bei der Lösung der Euro-Krise keine wirkliche Perspektive aufzuzeigen.

Warnung von Gysi
Linksfraktionschef Gregor Gysi warnte die Bundesregierung davor, Griechenland aus dem Euro zu drängen. "An Griechenland darf kein Exempel statuiert werden. Das geht völlig daneben", sagte er. Griechenland brauche stattdessen einen Stopp der bisherigen Kürzungspolitik und Investitionen. "Dann, und nur dann kriegen wir auch unser Geld zurück", sagte Gysi. Der Linksfraktionschef forderte auch direkte Konjunkturkredite und einen direkten Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank und einen weiteren Schuldenschnitt der Banken. Außerdem müssten die Vermögenden in der EU ihren Beitrag zur Krisenbewältigung leisten.

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