"Sterben als Märtyrer"
Gaddafi gibt Durchhalte-Parolen aus
23.06.2011
Es mehren sich allerdings die Gerüche, Gaddafi bereite seine Flucht vor.
Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi kontert die anhaltenden Luftangriffe der NATO mit Durchhalte-Parolen. "Wir haben keine Angst vor dem Tod und wir wollen als Märtyrer sterben", tönte er in der Nacht zum Donnerstag in einer vom Fernsehen ausgestrahlten Audio-Botschaft. An die NATO-Staaten gewandt, sagte er: "Jesus hat nichts mit euch zu tun. (...) Ihr habt keine Religion und ihr hasst uns, weil wir Muslime sind." NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen meinte wiederum in einem Zeitungsinterview am Donnerstag: "Wir gehen bis zum Ende."
Gaddafis Botschaft war die erste Erklärung des Diktators seit einer Folge von NATO-Angriffen, bei denen auch libysche Zivilisten ums Leben gekommen waren. Das Haus seines langjährigen Weggefährten und "Finanzchefs" des Regimes, Al-Khuedi al-Hamidi, sei noch lange kein militärisches Ziel, wetterte Gaddafi.
Weiter Kontroverse um Angriffe auf Zivilisten
Bei dem Bombenangriff am letzten Montag auf das Anwesen Al-Hamidis in Surman 80 Kilometer westlich von Tripolis waren nach libyschen Regime-Angaben 13 Zivilisten, unter ihnen Frauen und Kinder, getötet worden. Die NATO blieb bei der Behauptung, das Haus des Gaddafi-Intimus habe auch als militärische Kommandozentrale gedient und sei deshalb ein legitimes Ziel gewesen.
Der libysche Revolutionsführer stellte zudem die Sinnhaftigkeit weiterer NATO-Angriffe in Frage. Das nordatlantische Bündnis habe bereits die komplette Luftwaffe und Luftabwehr seiner Armee zerstört, sagte Gaddafi. Er verstehe daher nicht, warum noch weiter bombardiert werde.
NATO will "bis ans Ende" gehen
Eine indirekte Antwort darauf gab NATO-Generalsekretär Rasmussen. "Wir gehen bis ans Ende", sagte er der Pariser Tageszeitung Le Figaro. "Wir nehmen uns die Zeit, die nötig ist, bis das militärische Ziel erreicht ist: das vollständige Ende aller Angriffe auf libysche Zivilisten, die Rückkehr der Streitkräfte in ihre Kasernen und Bewegungsfreiheit für humanitäre Hilfe."
In der Nacht zum Donnerstag wurden keine neuen NATO-Bombardements auf Tripolis gemeldet. Hingegen flogen NATO-Flugzeuge Angriffe gegen Ziele bei Zlitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis, hieß es inoffiziell.
An den Fronten zwischen Gaddafi-Truppen und Milizen der Regimegegner gab es auch am Donnerstag kaum Bewegung. Nach Einschätzung von Beobachtern kontrollieren die Aufständischen inzwischen alle Ortschaften im westlichen Nafusa-Gebirge mit Ausnahme der Stadt Al-Ghariyan, die 90 Kilometer südlich von Tripolis liegt.
Aber auch in Tripolis selbst wagen sich bewaffnete Regimegegner weiter vor. Einwohner der Hauptstadt berichteten, nachts seien häufig Schüsse auf den Straßen zu hören. Tagsüber zeigten sich Mitglieder der lokalen Rebellengruppen aber nicht.
Ex-Außenminister: Gaddafi könnte nach Weißrussland gehen
Der libysche Machthaber Muammar al-Ghaddafi könnte nach Ansicht eines früheren Weggefährten das Kriegsgebiet in Nordafrika bereits in wenigen Wochen verlassen. "Gaddafi weiß, dass er Libyen nicht mehr regieren kann und sucht nach drei Dingen: einem Weg aus dem Land, Geld und ausreichend Abstand vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag", erklärte der ehemalige UN-Botschafter und Außenminister Libyens, Abdel Rahman Shalgham, am Donnerstag. "Ich glaube, dass er in zwei bis drei Wochen Libyen verlassen wird - vielleicht nach Weißrussland", sagte Shalgham im italienischen Fernsehen Corriere TV.
"Ich habe Angst um Tripolis: Gaddafi ist gefährlich und man weiß nicht, was er vor seiner Flucht tun könnte", befürchtete der ehemalige Freund und Minister Gaddafis. Vor seiner Flucht könnte der Revolutionsführer auch versuchen, die noch von ihm kontrollierten Ölfelder in Brand zu setzen.
Shalgham war von 2000 bis 2009 libyscher Außenminister. Seinen Posten als Botschafter des nordafrikanischen Staates bei den Vereinten Nationen in New York verlor der Libyer, als er vor den UNO die Streitkräfte seines Landes anklagte, Gaddafi bei Angriffen auf die Zivilbevölkerung zu unterstützen. Heute vertritt er den Übergangsrat der libyschen Aufständischen bei den UNO.