Südkorea reagiert auf den offenbaren Beschuss eines seiner Kriegsschiffe.
Der südkoreanische Präsident Lee Myung-bak hat nach dem Untergang des Kriegsschiffes "Cheonan" eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen das stalinistisch geführte Nordkorea angekündigt: Die innerkoreanische Zusammenarbeit und der Handel würden weitgehend eingestellt, nordkoreanischen Schiffen die Fahrt durch die Hoheitsgewässer des Südens verboten, sagte der Staatschef am Montag in einer TV-Ansprache. Außerdem werde Seoul den Fall vor den UNO-Sicherheitsrat bringen und das Militär reformieren und aufrüsten. Südkorea macht Pjöngjang für einen Torpedoangriff auf die "Cheonan" verantwortlich, bei dem 46 Seeleute getötet wurden. Nordkorea weist die Anschuldigungen zurück.
Provokationen
"Wir haben Nordkoreas Brutalität immer wieder
ertragen", sagte Lee in seiner Ansprache, nachdem er verschiedene Übergriffe
des Nordens auf den Süden seit dem Ende des Korea-Krieges (1950-1953)
aufgezählt hatte, darunter auch den Abschuss eines Passagierflugzeugs 1987.
"Aber diesmal liegen die Dinge anders", sagte Lee weiter. "Nordkorea wird
einen Preis für seine Provokation zahlen müssen." Die koreanische Halbinsel
befinde sich an einem "kritischen Wendepunkt. Nordkorea müsse den Süden und
die internationale Gemeinschaft unverzüglich um Vergebung bitten.
Auf Eis gelegt
Unter den gegebenen Umständen sei ein Austausch
mit dem kommunistischen Norden unsinnig, deshalb werde der Handel auf Eis
gelegt, sagte Präsident Lee weiter. Eine Ausnahme gebe es für das gemeinsam
betriebene Industriegebiet Kaesong auf nordkoreanischer Seite und für
humanitäre Hilfe für Kinder im Norden.
In der vergangenen Woche hatte ein internationales Untersuchungsteam Beweise für einen nordkoreanischen Torpedoangriff auf die Korvette "Cheonan" am 26. März nahe der innerkoreanischen Seegrenze im Gelben Meer vorgelegt. Seitdem spitzt sich die Lage auf der koreanischen Halbinsel weiter zu. Die wichtigste nordkoreanische Tageszeitung "Rodong Sinmun" berichtete am Montag, die Untersuchung des Vorfalls sei eine "nicht tolerierbare, schwere Provokation", gleichbedeutend einer Kriegserklärung. Die Staatsagentur KCNA verwies zudem auf die Atomwaffen, die das Land "in transparenter Weise" entwickelt habe, man habe das Recht das Abschreckungspotenzial auszuweiten. Schon zuvor hatte Pjöngjang im Falle von Vergeltungsaktionen mit "harten Maßnahmen bis zum Krieg" gedroht.
Clinton bewahrt Ruhe
Während der südkoreanische Präsident
ebenfalls keinen Zweifel über den Gebrauch des Rechts zur Selbstverteidigung
ließ, sollten die Gewässer Südkoreas, dessen Luftraum oder Territorium
verletzt werden, forderte US-Außenministerin Hillary Clinton von China eine
abgestimmte Reaktion auf den mutmaßlichen nordkoreanischen Angriff. Zu
Beginn ihrer zweitägigen Spitzengespräche in Peking sagte sie am Montag,
Nordkorea müsse für den Vorfall im Gelben Meer zur Verantwortung gezogen
werden. China und die USA müssten dabei zusammenarbeiten "und unsere
gemeinsamen Ziele von Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel
voranbringen". China ist der wichtigste Verbündete des kommunistischen
Nordkorea und hat sich im Fall der "Cheonan" bisher neutral verhalten.
Kriegszustand
Offiziell befinden sich das stalinistisch regierte
Nordkorea und das kapitalistische Südkorea noch immer im Kriegszustand, da
beide Staaten nach dem Korea-Krieg (1950 bis 1953) kein Friedensabkommen
schlossen. Nordkorea erkennt die sogenannte Nördliche Grenzlinie vor der
Westküste nicht an. Sie wurde zum Ende des Korea-Kriegs einseitig von einem
UNO-Kommando gezogen. Im Gebiet der innerkoreanischen Seegrenze kam es in
der Vergangenheit häufig zu Zwischenfällen: 2002 wurden bei einem
Schusswechsel zwischen Kriegsschiffen beider Seiten nach Angaben aus Seoul
sechs südkoreanische Soldaten sowie 13 Nordkoreaner getötet. 1999 hatten
südkoreanische Kriegsschiffe ein nordkoreanisches Patrouillenboot mit
schätzungsweise 20 Seeleuten an Bord versenkt.
Der Korea-Krieg dauerte von 1950 bis 1953. Im Juni 1950 hatten nordkoreanische Truppen die 1945 nach der militärischen Niederlage der Kolonialmacht Japan gezogene Demarkationslinie überschritten. Damit begann ein Krieg, der 4,5 Millionen Tote forderte und durch einen bis heute gültigen Waffenstillstand beendet wurde. Der UNO-Sicherheitsrat beschloss damals auf Verlangen Washingtons, Südkorea mit UNO-Truppen zu Hilfe zu kommen. Die Sowjetunion boykottierte den Weltsicherheitsrat; so war kein Vertreter Moskaus zugegen, um sein Veto einzulegen. Die USA stellten das weitaus größte Truppenkontingent der UNO-Streitmacht. China unterstützte Nordkorea mit einer großen "Freiwilligen"-Armee von einer Million Mann. Ein Waffenstillstandsabkommen wurde 1953 von einem US-General im Namen der UNO unterzeichnet. In Südkorea haben die USA derzeit noch 28.000 Soldaten als Abschreckung gegen das stalinistisch geführte Nordkorea stationiert.