Deutsche Ärzte bei ihr im Straflager - Sie wird in ein Spital verlegt.
Boykott-Aufruf der EU-Kommission gegen die Fußball-EM, weltweite Empörung über das Regime in Kiew. Lenkt Betonkopf-Präsident Viktor Janukowitsch (61) unter dem Druck im Fall Timoschenko doch noch ein?
Die Hoffnung besteht: Freitagnachmittag rollten jedenfalls mehrere Limousinen in das Frauenstraflager in Charkow (1,4 Mio. Einwohner), zweitgrößte Stadt der Ukraine, EM-Ort. Hier sitzt Julia Timoschenko (51), Ex-Premierministerin. Seit 15 Tagen ist sie im Hungerstreik.
In dem Wagen: der deutsche Arzt Karl Max Einhäupl, Chef der Berliner Charité. Der Mediziner hat Timoschenko bereits dreimal behandelt. Sie leidet seit Monaten an einem Bandscheibenvorfall, hat schlimme Schmerzen.
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Begleitet wurde der Arzt von deutschen Diplomaten, die über eine mögliche Verlegung Timoschenkos nach Deutschland verhandelten – das lehnte die Ukraine aber ab.
Timoschenko wird jetzt am Dienstag in ein Krankenhaus in Charkow verlegt, erklärte Einhäupl. Die 51-Jährige soll von einem Arzt der Berliner Charité behandelt werden. Ukrainische Ärzte sollen ihn unterstützen.
„Sie ist schwach, doch sie kämpft“
Abwartend zeigt sich auch Jewgenia Timoschenko (32), Tochter der Politikerin. Sie hat am Donnerstag ihre Mutter in der Zelle besucht, sagte nachher: „Sie ist schwach, muss liegen, kann sich praktisch nicht bewegen.“ Die internationale Solidarität gibt ihr aber Kraft: „Sie kennt die Boykott-Aufrufe, möchte sich dafür bedanken, auch bei der österreichischen Bundesregierung, die am raschesten regiert hat“, richtet Jewgenia Grüße nach Wien aus.
Sollten die deutschen Ärzte Timoschenko nicht nach Deutschland mitnehmen dürfen, gäbe es ein weiteres „Ausstiegsszenario“. Am 15. Mai findet die Berufungsverhandlung im Fall Timoschenko statt. Das ist drei Wochen vor Beginn der Fußball-EM in Polen und der Ukraine.
Von einem Erstgericht wurde Timoschenko zu sieben Jahren Straflager verurteilt, wegen Amtsmissbrauchs bei Gasgeschäften mit Moskau: „Ein politisch motiviertes Fehlurteil“, klagt die Tochter. Am 15. Mai könnte der Richter in der Berufungsverhandlung das Urteil wegen schwerer Verfahrensfehler aufheben: „Würde das passieren, wäre meine Mutter wieder eine freie Frau.“ Die EM wäre damit gerettet.
"Österreich hat sehr geholfen"
Jewgenia Timoschenko, die 32-jährige Tochter von Julia Timoschenko, im ÖSTERREICH-Gespräch.
ÖSTERREICH: Sie waren gerade bei Ihrer Mutter in der Zelle, wie geht es ihr?
Jewgenia Timoschenko: Sie ist blass, schwach, hat nach 15 Tagen Hungerstreik stark abgenommen. Die Schmerzen sind enorm, sie kann sich kaum bewegen, muss ruhig liegen.
ÖSTERREICH: Deutsche Ärzte durften nun zu ihr. Wird Ihre Mutter nach Berlin verlegt?
Timoschenko: Das nicht, aber nächste Woche wird sie in ein Krankenhaus in Charkow verlegt und von deutschen Ärzten behandelt.
ÖSTERREICH: Die EU-Kommission hat einen EM-Boykott beschlossen, Österreichs Regierung ebenso …
Timoschenko: … Meine Mutter hat davon erfahren, die Solidaritätswelle gibt ihr enorm viel Kraft. Sie möchte sich bei allen bedanken, auch bei der Regierung in Wien. Die mutige Boykott-Entscheidung hat sehr geholfen.
ÖSTERREICH: Wie geht es jetzt weiter?
Timoschenko: Jetzt hoffen wir auf den 15. Mai. Da findet die Berufungsverhandlung statt. Hebt der Richter das politisch motivierte Fehlurteil aus der ersten Verhandlung auf, wäre meine Mutter schon in zehn Tagen frei.