Neumann: Extreme werden sich nach 20. Jänner nicht mehr zurückhalten
Der deutsche Terrorismus-Experte Peter Neumann sieht in dem Sturm auf das US-Kapitol den Beginn einer "extremistischen Bewegung". Das war "nicht der Endpunkt, sondern der Anfang einer extremistischen Bewegung, die auch gewalttätig sein wird", sagte der Politologe vom Londoner King's College der Nachrichtenseite ntv.de. "Was wir am Mittwoch gesehen haben, war noch kein Terrorismus - aber selten hat sich eine terroristische Bewegung so spektakulär angekündigt."
Dass es bisher nicht zu größeren Gewaltausbrüchen gekommen sei, habe damit zu tun, dass US-Präsident Donald Trump noch immer im Amt sei. "Für seine Anhänger gab es bisher keinen Grund, mit Gewalt gegen die Regierung vorzugehen", sagte Neumann. Nach der Vereidigung von Trumps Nachfolger Joe Biden am 20. Jänner werde es dann für die extremen Teile dieser Bewegung jedoch "keinen Grund mehr geben, sich zurückzuhalten."
QAnon dominiert
Dominiert werde die Trump-Bewegung von der rechten Verschwörungstheorie QAnon. "Die Essenz von QAnon ist der Glaube, dass die Regierung der USA und eigentlich das gesamte Establishment von einer satanischen Sekte beherrscht wird, der es darum geht, ein Netzwerk von Kinderschändern zu protegieren", sagte Neumann. "So absurd das ist, Teil dieses Glaubens ist, dass Trump die Lichtfigur ist, die gegen diese satanische Strukturen kämpft. Wer an so etwas glaubt, kann alles rechtfertigen, um zu verhindern, dass Trump besiegt wird." Viele QAnon seien zudem schwer bewaffnet.
Zwar geht Neumann davon aus, dass es den immer wieder vorhergesagten Bürgerkrieg nicht geben wird. "Aber nach den Ereignissen vom 6. Januar können wir doch sicher sein, dass die Trump-Bewegung auch Terror hervorbringen wird."
Wütende Trump-Anhänger waren am Mittwoch ins Kapitol in Washington eingedrungen. Wegen der Ausschreitungen wurde die Kongresssitzung zur Bestätigung von Biden als Wahlsieger unterbrochen; die Politiker mussten in Sicherheit gebracht werden. Trump wird vorgeworfen, für den Gewaltexzess mitverantwortlich zu sein, nachdem er seine Anhänger bei einem Auftritt in Washington mit seinen unbelegten Wahlbetrugs-Vorwürfen angestachelt und zum Marsch auf das Kapitol aufgerufen hatte.