Ziele der Anschläge waren Polizeihauptquartiere in Kano.
Blutbad in Nigeria: Einen Tag nach den verheerenden Bombenanschlägen in der Stadt Kano ist die Zahl der Toten weit über 100 gestiegen. Allein in den Krankenhäusern seien über 130 Tote, sagte ein Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden in Kano am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Bei den Opfern handle es sich um Polizisten, andere Sicherheitskräfte, Häftlinge in den angegriffenen Polizeistationen sowie Zivilisten. Ein BBC-Reporter berichtete, er habe allein im größten Krankenhaus der Stadt 150 Leichen gezählt. Die Behörden hatten zunächst nur zehn Tote bestätigt.
Ziele der koordinierten Serie von Anschlägen am Freitagnachmittag waren das Polizeihauptquartier sowie drei weitere Polizeistationen in der zweitgrößten Stadt Nigerias im Norden des Landes. Die radikalislamische Sekte Boko Haram bekannte sich telefonisch bei mehreren nigerianischen Medien zu den Anschlägen und bezeichnete sie als "Vergeltungsmaßnahmen" nach jüngsten Verhaftungen von Mitgliedern der Terror-Organisation.
Die Behörden hatten am Freitagabend eine 24-stündige Ausgangssperre über die Millionenstadt verhängt. Am Samstagmorgen waren Schüsse zu hören. Ein Journalist war am Freitag bei Interviews mit Augenzeugen der Anschläge von einem Heckenschützen getötet worden.
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte die Anschläge. "Die blutigen Angriffe auf Christen und staatliche Stellen sind eine große Gefahr für den inneren Frieden im Vielvölkerstaat Nigeria", hieß es in einer am Samstag veröffentlichten Stellungnahme des Auswärtigen Amtes in Berlin. Extremistischen Gruppen wie Boko Haram müsse "so schnell wie möglich das Handwerk gelegt werden".
Nigeria leidet seit langem unter dem Terror der Islamisten, die ihre Basis im überwiegend islamischen Norden des bevölkerungsreichsten Staates in Afrika haben. In den Weihnachtstagen und Anfang Jänner waren bei Bombenanschlägen und Überfällen auf christliche Kirchen Dutzende von Menschen getötet und viele andere verletzt worden. Nigerias Präsident Goodluck Jonathan hatte vorübergehend den Ausnahmezustand über vier Regionen verhängt und die Grenzen zu Nachbarländern schließen lassen.
Vor drei Wochen hatten die Islamisten den Christen im überwiegend muslimischen Norden Nigerias ein Ultimatum gestellt. Sie sollten innerhalb von drei Tagen die Region verlassen. Die Boko Haram lehnt jeden westlichen Lebensstil und das Christentum strikt ab. Mindestens 10.000 Christen waren nach Angaben des Roten Kreuzes aus dem Norden geflohen. In den vergangenen Wochen wurde Nigeria auch durch gewalttätige Proteste und einen Generalstreik in vielen Teilen des Landes gegen die Erhöhung der Benzinpreise erschüttert.