SPD-Ministerpräsidentin Kraft siegt - CDU-Spitzenkandidat tritt zurück
Nicht einmal eine Viertelstunde brauchte Norbert Röttgen, um mit gerötetem Gesicht eine verheerende Wahlniederlage einzugestehen. "Ich möchte betonen, dass die Niederlage der CDU zu allererst auch meine Niederlage ist. Ich habe verloren", sagte er am Sonntagabend nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen in die Kameras. Sichtlich bemüht versuchte er damit, wenigstens den Kollateralschaden für die Bundes-CDU nach dem historisch schlechtesten Wahlergebnis im bevölkerungsreichsten Bundesland zu begrenzen. Dies mag ihm für seine Partei vielleicht gelingen. Für ihn persönlich aber dürfte feststehen: Norbert Röttgen hat am Sonntag auch den Nimbus als Hoffnungsträger seiner Partei verloren.
Aber auch wenn sowohl CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, ihm am Abend die Stange hielten: Der 46-jährige Jurist Röttgen gilt auch in der Bundes-CDU als der eigentliche Verlierer dieses Sonntags. Denn die Wahlniederlage war eine mit Ankündigung - aus der eigenen Partei. Seit Beginn des Wahlkampfes vor sechs Wochen hatten ihn landauf, landab CDU-Politiker aufgefordert, sich voll zu einer Karriere in NRW zu bekennen. "Ein bisschen schwanger geht nicht", stichelten viele verärgerte CDU-Politiker bereits vor der Wahl über den Vater dreier Kinder. Nach ZDF-Umfragen nahmen ihm dies sogar 57 Prozent der am Sonntag befragten CDU-Wähler übel, überdurchschnittlich viele ältere Unions-Wähler gingen erst gar nicht zur Wahl.
© dapd
© dapd
Die damals neu gewählte nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD, links) nimmt im Landtag in Düsseldorf nach ihrer Wahl die Glückwünsche der damaligen Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Sylvia Löhrmann, entgegen
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
© dapd
Während man sich in Nordrhein-Westfalen vor allem über den wenig überzeugenden, oft distanziert wirkenden Wahlkämpfer ärgerte, kochte in Berlin die Anti-Röttgen Stimmung vergangenen Dienstag hoch. Als er andeutete, die NRW-Wahl sei eine Art Abstimmung über die Europa-Politik der Kanzlerin, verpasste ihm die Partei- und Regierungsspitze die Höchststrafe: Wenige Tage vor der Wahl ließ Merkel klarstellen, dass es sich um eine Regionalwahl handle. Die ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten versetzten ihm am Freitag den nächsten Hieb, als sie die von Röttgen ausgehandelte Kürzung der Solar-Förderung scheitern ließ.
Die Botschaft der Bundes-CDU war klar: Wenn Röttgen schon den Untergang ansteuert, soll er das bitte alleine tun. Die Solidarität mit ihm, aber auch dem seit langem seltsam zerrissen wirkenden CDU-Landesverband im Westen sank von Tag zu Tag. Zumal sich Fettnäpfchen an Fettnäpfchen reihte. Als Höhepunkt galt seine Talkshow-Bemerkung, dass "leider" nicht die CDU, sondern die Bevölkerung die nächste Landesregierung wähle.
Auch wenn er zumindest vorerst Umweltminister bleibt: Röttgen dürfte die ihm immer wieder nachgesagten Ambitionen auf das Kanzleramt und eine Nachfolge Merkels nun endgültig begraben - in der Parteispitze wurde dies ohnehin nie wirklich ernst genommen. Es geht nur noch um die Frage, ob der Sturz des Dauer-Hoffnungsträgers noch tiefer werden wird.
Das liegt schon daran, dass sich der stets verbindlich-freundlich wirkende Röttgen - gerne auch spöttisch-respektvoll "Merkels Schlauster" genannt - erstaunlich viele interne Gegner gemacht hat. Der Wirtschaftsflügel der Union sieht in ihm die Symbolfigur für eine aus ihrer Sicht zu starken Anpassung der CDU an den Zeitgeist. Die Solaranhänger stoppten die Kürzung der Einspeisevergütungen. Dazu kommt der im NRW-Wahlkampf erneuerte Vorwurf, der smarte Christdemokrat stelle seine eigene Karriere zu oft über Parteiinteressen.
Denn bereits 2006 hatte er viele Parteifreunde mit dem missglückten Wechselversuch des damaligen Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf den Posten des Hauptgeschäftsführers des BDI vor den Kopf gestoßen. Die NRW-Wahl wirkte jetzt zudem wie ein Bumerang für seinen schnellen Aufstieg im Landesverband. Schon als sich Röttgen 2010 gegen den früheren NRW-Sozialminister Armin Laschet durchgesetzt hatte, prophezeiten ihm Parteifreunde, dass mit dem NRW-Landesvorsitz im Falle von Neuwahlen nicht nur die Spitzenkandidatur, sondern eben auch die Entscheidung für eine zumindest vorübergehende Landeskarriere verbunden sei. Erst mit seinem sofortigen Rücktritt vom Amt des Landesvorsitzenden hat Röttgen dies am Sonntagabend endlich eingestanden.