Zwei von drei Zuschauern stinksauer
Trump vs. Biden: Brutalo-Duell schockt die USA
30.09.2020
Der erste Schlagabtausch der beiden Präsidentschaftskandidaten wurde zur wahren Farce. Die Debatte war geprägt von persönlichen Attacken und Unterbrechungen.
Die erste TV-Debatte von US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden ist von Chaos und persönlichen Angriffen bestimmt worden. Vor allem Trump fiel Biden immer wieder ins Wort und ließ ihn nicht ausreden. Biden bezeichnete den Amtsinhaber unter anderem als "Rassisten", "Lügner", "Putins Welpen" und "den schlechtesten Präsidenten, den Amerika je hatte". In einer Blitzumfrage des Senders CBS zeigten sich 69 Prozent der Befragten verärgert über das Streitgespräch.
Von Biden hatten in der CBS-Umfrage 38 Prozent eine bessere Meinung nach der Debatte, von Trump nur 24 Prozent. TV-Debatten gelten im US-Wahlkampf auch in der Internet-Ära immer noch als wichtiges Event, um noch unentschlossene Wähler zu überzeugen. Der republikanische Senator Ted Cruz sagte, er bezweifle, dass die Debatte jemanden umgestimmt habe.
Trumps Schwiegertochter Lara Trump sagte am Mittwoch im TV-Sender Fox News, der Präsident habe "die gesamte Debatte dominiert". Ein Sprecher seines Wahlkampfteams, Hogan Gidley, verteidigte Trumps Verhalten. "Denken Sie, dass der Präsident der Vereinigten Statten einfach so Lügen über sich erzählen lässt, ohne dazwischenzugehen?", sagte er im Sender CNN. Bidens Ehefrau Jill sagte hingegen in Cleveland: "Hat Joe nicht einen großartigen Job geleistet?" Er habe einen Eindruck gemacht, der eines Präsidenten würdig sei.
Trump brachte sich unter Erklärungsdruck mit seiner Reaktion auf die Frage des Moderators Chris Wallace, ob er bereit wäre, Gruppen und Milizen zu verurteilen, zu deren Ansichten die Überlegenheit der Weißen gehört. Trump sagte daraufhin an die Adresse der rechten Gruppierung "Proud Boys" (Stolze Burschen), sie solle sich zurückhalten und bereithalten. Trumps Sohn Donald Trump Jr. vermutete nach der Debatte im TV-Sender CBS, dass sein Vater sich wohl versprochen habe. Trump selbst äußerte sich in seinen Tweets am Mittwoch zunächst nicht dazu.
Um die Äußerungen in einem Wortgefecht gab es auch noch einen halben Tag später Aufregung. Auf den Aufruf von Moderator Wallace, rechte Extremisten zu verurteilen, sagte Trump zunächst: "Ich wäre bereit dazu, aber fast alles, was ich sehe, kommt von Links, nicht von Rechts." Als Wallace und Biden nachhakten, fragte Trump: "Wen soll ich verurteilen?" Biden warf den Namen der "Proud Boys" ein. Trump griff ihn auf: "Proud Boys - haltet euch zurück und haltet euch bereit" ("stand back and stand by").
Die Gruppe feierte den Satz Medienberichten zufolge als Billigung durch den Präsidenten. Der Chef der Bürgerrechtsorganisation ADL, Jonathan Greenblatt, sagte, Trump schulde Amerika eine Entschuldigung und eine Erklärung. Auch der republikanische Senator Tim Scott forderte Aufklärung. "Ich denke, er hat sich versprochen. Ich denke, er sollte es geraderücken. Wenn er es nicht korrigiert, hat er sich wohl nicht versprochen", sagte er vor Journalisten in Washington.
Trump weigerte sich auch, vor dem riesigen TV-Publikum zu versprechen, dass er sich nicht vor dem offiziellen Wahlergebnis zum Sieger erklärt. Biden tat das.
Das Konzept der TV-Debatte war eigentlich, jeweils 15 Minuten lang sechs Themenblöcke zu diskutieren. Der Moderator stellt eine Frage, die Kandidaten haben jeweils zwei Minuten für ihr Statement, es folgt eine offene Diskussion. Doch diese Struktur fiel rasch auseinander.
Dem erfahrenen TV-Journalisten Chris Wallace als Moderator entglitt schnell die Kontrolle - vor allem weil er es kaum schaffte, Trump zur Ordnung zu rufen. Trump sorgte mit seinen Zwischenrufen dafür, dass Biden viele Gedanken nicht zu Ende bringen konnte. Wallace appellierte: "Herr Präsident, lassen Sie ihn ausreden."
Der ehemalige Vizepräsident reagierte meist mit Kopfschütteln und einem ironischen Lächeln. "Würden Sie mal die Klappe halten, Mann?", fragte er an einer Stelle. "Es ist schwer, mit diesem Clown auf den Punkt zu kommen", beschwerte er sich.
Moderator Wallace wählte als erstes Thema die Neubesetzung des Postens der verstorbenen Richterin Ruth Bader Ginsburg am Obersten Gericht der USA aus. Daraus wurde schnell eine Debatte über das Gesundheitswesen in den USA, nachdem Biden argumentiert hatte, dass mit der von Trump vorgeschlagenen Richterin Amy Coney Barrett die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama zu Grabe getragen würde. Nach Trumps Behauptungen über angebliche Pläne der Demokraten, die private Gesundheitsversorgung abzuschaffen, platzte Biden zum ersten Mal der Kragen: "Alles, was er bisher sagte, ist einfach gelogen." Jeder wisse, dass Trump ein Lügner sei.
Dieses Muster - Trump unterbricht und stellt ungedeckte Behauptungen auf, Biden schlägt zurück - bestimmte die Debatte. Auch bei einer zentralen Frage für die USA - dem Umgang mit der Coronakrise - lief es ähnlich. "Er will einen Shutdown dieses Landes, und ich will es offen halten", sagte Trump. Biden konterte, Trump habe sich "völlig unverantwortlich" verhalten und so Tausende gefährdet. Die Pandemie kostete in den USA bereits mehr als 200.000 Menschen das Leben.
Mit dem Vorwurf, dass Trump Kremlchef Wladimir Putin nicht die Stirn biete, preschte Biden im Zusammenhang mit bisher unbestätigten Berichten über angebliche Kopfgelder Russlands auf US-Soldaten in Afghanistan vor. "Er ist Putins Welpe", sagte Biden.
Trump stellte Bidens Intellekt infrage. Nachdem der Herausforderer sagte, die USA müssten im Umgang mit der Corona-Krise smarter werden, fuhr der Präsident ihn an: "Verwenden Sie nie das Wort smart bei mir. Verwenden Sie nie dieses Wort. An Ihnen ist nichts smart, Joe."
Biden ließ sich von Trump nicht in eine Ecke mit "extremen Linken" stellen. Der Präsident behauptet immer wieder, dass Biden deren "Marionette" sei. "Ich bin jetzt die Demokratische Partei", konterte Biden. "Die Plattform der Demokratischen Partei ist das, was ich gutheiße."