Tsunami trifft Küste
Apokalyptische Szenen in ganz Japan
11.03.2011
Erinnerungen an die Flut-Katastrophe von 2004 werden wach.
Es ist das schwerste Erdbeben in der Geschichte Japans, das am Freitag eine riesige Tsunamiwelle auslöst: Eine Wand aus Wasser trifft die Insel Honshu, reißt ganze Häuser mit, verwüstet Hafengegenden. Die Wassermassen drücken Küstenbegrenzungen ein, verschlingen Landstriche, ein reißender Fluss voller Trümmer schießt über Städte und über Felder hinweg.
Küstenregionen unter Wasser
Die apokalyptischen Szenen gleichen den Bildern der Verwüstung nach dem Tsunami 2004 im Indischen Ozean. Auch die Hauptstadt Tokio bekam das Beben zu spüren, aber es sind vor allem die japanischen Küstenregionen, die mit den Auswirkungen der bis zu zehn Meter hohen Monsterwelle zu kämpfen haben.
"Ich habe so etwas noch nie gesehen", sagt Ken Hoshi, ein örtlicher Regierungsbeamter in der Hafenstadt Ishinomaki in der besonders schwer getroffenen Präfektur Miyagi. "Das Wasser kam bis zur Bahnstation." Diese liege Hunderte Meter von der Küste entfernt, berichtet der 41-Jährige, während sich seine Stadt in ein Überflutungsgebiet verwandelt. Zudem sei er besorgt, weil er seine Familie nicht erreichen könne. "Weil es meine Pflicht ist, muss ich die Nacht hier verbringen", sagt Hoshi.
Häuser treiben durch die Stadt
Im Norden werden mehrere Schiffe ins Landesinnere gewirbelt, reißen Uferbegrenzungen mit sich, fegen über Straßen und Bäume hinweg. In der Präfektur Ibaraki im Großraum Tokio treiben Häuser durch die Stadt, anderswo schwimmen Autos in den Fluten. Ein Bub wird von den Wassermassen mitgerissen, ein 77-Jähriger kommt beim Einsturz einer Mauer ums Leben, eine ältere Frau wird unter einem Dach begraben - die Befürchtungen wachsen, dass die Zahl der Opfer noch weit über die mehreren Dutzend Toten hinausgeht, von denen bisher berichtet wurde.
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Immer wieder Nachbeben
Das Erdbeben hat Krater in die Straßen gerissen, Kanaldeckel und die darunterliegenden Rohre wie Türme aus dem Boden gedrückt. Weil auch Gasleitungen getroffen wurden, bricht hier und da Feuer aus. In der Präfektur Chiba bei Tokio steht eine Ölraffinerie in Flammen - beißender Rauch steigt auf. Im Nordosten brennt das Turbinengebäude eines Atomkraftwerks, in der gleichen Region wird angeordnet, dass 2000 Anrainer einer anderen Atomanlage das Gebiet verlassen müssen. Immer wieder wird das Land von Nachbeben erschüttert, die Armee schickt Truppen in die Katastrophengebiete.
Totales Verkehrschaos in der Hauptstadt
Während es auch in Tokio Tote und Verletzte gibt, kämpfen die Menschen in der Hauptstadt aber vor allem mit der Frage, wie sie nach Hause kommen sollen, nachdem das Mega-Beben der Stärke 8,9 das U-Bahn-System lahmgelegt hat. Nachdem der Erdstoß Bürotürme ins Wanken brachte und Berufstätige die Gebäude verließen, finden sich jetzt viele in der Stadt gestrandet. Das Handynetz ist größtenteils zusammengebrochen, Hotels sind ausgebucht. "Ich weiß nicht, wie ich nach Hause kommen soll", sagt eine 18-Jährige, die vor einer U-Bahn-Station wartet. "Es ist das erste Mal, dass ich ein Erdbeben dieser Stärke in Tokio erlebe", sagt ein 69-Jähriger.
Über Lautsprecher und das Fernsehen werden die Menschen aufgerufen, in der Nähe ihrer Büros zu bleiben, anstatt den Weg nach Hause zu wagen. "Bitte erzwingen Sie nicht ihren Nachhauseweg, wenn es kein Transportmittel gibt - bleiben Sie in Ihren Büros und an anderen sicheren Orten", sagt ein Notfallberater im Fernsehen. Sollten die Pendler versuchen, zu Fuß nach Hause zu kommen, könne es zu Unfällen kommen. Die Metropolregion Tokio ist mit mehr als 30 Millionen Einwohnern die größte der Welt. Viele Menschen pendeln täglich mehrere Stunden zur Arbeit.
Wissenschaftler: Erdbeben war lange überfällig
Japan liegt auf dem Vulkangürtel des Pazifischen Feuerrings, wobei sich Tokio in einer der gefährlichsten Gegenden befindet, da die Metropole auf dem Punkt liegt, an dem drei Kontinentalplatten aneinandergrenzen. Seismologen zufolge ist das "Big One" - ein massives Erdbeben nahe Tokio - lange überfällig. Erst vor zwei Tagen hatte ein Beben der Stärke 7,3 Japan erschüttert aber keine Schäden angerichtet. Das letzte Riesenbeben traf Tokio 1923 - damals kamen 140.000 Menschen ums Leben.