Österreichs Kanzler hatte einen Abbruch der Beitrittsgespräche gefordert.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat mit seiner Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen die Türkei schwer verärgert. Der türkische Europaminister Ömer Celik sagte am Donnerstag, die Aussagen Kerns bereiteten ihm "Unbehagen". Außerdem sei es "verstörend, dass seine Stellungnahme ähnlich jener der Rechtsextremen" sei.
Celik fügte hinzu, dass es natürlich das demokratische Recht sei, Kritik zu üben. "Aber es gibt einen Unterschied zwischen der Kritik an der Türkei oder gegen die Türkei zu sein". Klar sei, dass die "Grundwerte der EU" die Referenz für die Türkei blieben, betonte Celik.
Kern hatte gegenüber der "ORF-"ZiB 2" und der Tageszeitung "Die Presse" am Mittwoch erklärt, "wir wissen, dass die demokratischen Standards der Türkei bei Weitem nicht ausreichen, um einen Beitritt zu rechtfertigen". Ein EU-Beitritt der Türkei sei für ihn für Jahre oder sogar Jahrzehnte ein "Ding der Unmöglichkeit".
Resetknopf
Auf eine entsprechende Frage in der "ZiB 2" des ORF-Fernsehens, sagte Kern, es sei sein Vorsatz, die Möglichkeit eines Abbruchs der Verhandlungen "am 16. September im Europäischen Rat" aufs Tapet zu bringen. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei seien "nur noch diplomatische Fiktion" betonte der Bundeskanzler im ORF-Gespräch wie schon zuvor gegenüber der "Presse". "Wir wissen, dass die demokratischen Standards der Türkei bei Weitem nicht ausreichen, um einen Beitritt zu rechtfertigen." Es sei an der Zeit, den "Resetknopf" zu drücken. "Es braucht ein alternatives Konzept."
Aber mindestens so gravierend" sei die wirtschaftliche Frage, so der Bundeskanzler. "Weil die Volkswirtschaft der Türkei ist so weit weg von einem europäischen Durchschnitt, dass wir einen Beitritt aus ökonomischen Gründen nicht rechtfertigen könnten." So gebe es schon im Hinblick auf den Zugang von Menschen aus südost- und zentraleuropäischen Staaten zum Arbeitsmarkt erhebliche "Disparitäten", sagte Kern zur "Presse". "Und bei diesen Herkunftsländern ist der Abstand zum Lohnniveau noch vergleichsweise klein
Strategisches Ziel
Dazu hieß es Donnerstag aus türkischen Regierungskreisen: "Die EU-Mitgliedschaft ist seit Jahrzehnten ein strategisches Ziel und bleibt ein zentrales Ziel für die Türkei. Wir glauben, dass Europa mit der Türkei an Bord stärker, vielfältiger und letztendlich relevanter auf der Weltbühne wäre."
Am 16. September treffen sich die Staats- und Regierungschefs von 27 EU-Staaten im slowakischen Bratislava. Dabei will Kern das Thema EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur Sprache bringen. Ursprünglich war angesichts des Brexit-Votums die Lage in Großbritannien Hauptthema. Dies dürfte aber nun wegen der Folgen des gescheiterten Türkei-Militärputsches erweitert werden.