Lage eskaliert

Türkei: Demos sollen Erdogan stürzen

27.12.2013

Tränengas & Wasserwerfer in Istanbul: Polizei knüppelt Proteste nieder.

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© Reuters
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Die Massendemonstrationen sollen den Rücktritt von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (59) erzwingen. Doch der Premier ließ Freitagabend mit großer Härte gegen Regierungskritiker im Zen­trum von Istanbul vorgehen. Die Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse ein.

Hintergrund der neuen Demos: Erdogan ist knietief in einen gigantischen Korruptionsskandal verstrickt (ÖSTERREICH berichtete ). Es geht um Schmiergelder, il­legalen Ölimport aus dem Iran und Goldgeschäfte der Staatsbank mit Teheran.

Selbst Erdogans Sohn Bilal sowie drei Ministersöhne sind Ziele der Ermittler. Sie sollen Bauaufträge vermittelt haben. Erdogan konterte auf seine Art: Er ließ den zuständigen Staatsanwalt abziehen. Das nützte nichts. Die Lage eskalierte, die Börsen stürzten ab, die türkische Lira ist auf Rekordtief.

Extremer Machtkampf zweier Ex-Freunde
Losgetreten hat den Megaskandal Fethullah Gülen, ein Islam-Prediger, der in den USA lebt. Gülen und Erdogan waren früher Verbündete: „Zuletzt wurde Gülen Erdogan aber zu mächtig“, sagt Ertugrul Özkök, der bekannteste Journalist der Türkei. Er glaubt: „Es ist der verbissene Kampf zweier Männer um Macht, bei dem das Schicksal der Türkei auf dem Spiel steht.“
 

"Erdogans Lage ist katastrophal"

ÖSTERREICH: Wird Premier Erdogan den Machtkampf in der Türkei überstehen?
Ertugrul Özkök: Er steht unter enormem Druck, seine Lage ist katastrophal. Selbst sein Sohn Bilal ist vom Korruptionsskandal betroffen. Hintergrund sind ein gigantischer Korruptionsskandal und der Machtkampf zwischen ihm und Fethullah Gülen, einem einflussreichen Prediger.

ÖSTERREICH: Gülen und Erdogan waren früher enge Freunde …
Özkök: Ja, aber das ist vorbei. Gülen ist ein mächtiger und sehr reicher Mann geworden. Er baute weltweit eine sektenartige Bewegung auf. Erdogan wollte ihn in der Türkei beschneiden, bekämpfte die Gülen-Bewegung massiv. Jetzt schlägt Gülen zurück. Viele sind überzeugt, dass er den Korruptionsskandal ins Rollen gebracht hat.

ÖSTERREICH: Was soll damit erreicht werden?
Özkök: Gülen will den Rücktritt Erdogans und könnte damit Erfolg haben. Seit dem Sommer, als Erdogan die Demonstrationen am Taksim-Platz niederschlagen ließ, ist er angreifbar. Zuvor agierten er und seine Minister, als gehöre ihnen die ganze Türkei. Jetzt steht sogar seine Familie unter Korruptionsverdacht. Nun steht das Schicksal der Türkei auf dem Spiel.
 

 

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