Ankara startete Mittwochfrüh eine Großoffensive zu Luft und zu Land.
Nach dem Beginn einer türkischen Offensive zu Luft und zu Land auf die IS-Hochburg Jarablus an der Grenze zur Türkei konnten die von Ankara unterstützen Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) am Mittwoch erste Gewinne vermelden. Laut türkischen Medienberichten konnten vier Ortschaften rund um Jarablus der Kontrolle des IS entrissen werden, 46 IS-Kämpfer seien getötet worden.
Die Türkei hatte die Operation "Schutzschild Euphrat" um 4.00 Uhr Lokalzeit mit Angriffen aus der Luft gestartet, wie Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara am Mittwochvormittag bekannt gab. Wenig später rollten auch türkische Panzer sowie weitere Militärfahrzeuge über die Grenze, in denen sich wohl Verstärkung für die FSA-Kämpfer in Syrien befand.
"Groß angelegte Militärkampagne"
Neben türkischen F-16-Jets waren auch Kampfflugzeuge der Anti-IS-Koalition im Einsatz. Über Jarablus stieg schwarzer Rauch auf. Es handle sich um eine "groß angelegte Militärkampagne", sagte der Vorsitzende des oppositionellen Lokalrates der Stadt, Mahmoud al-Ali.
Der Nachrichtensender NTV berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, vor Beginn des Einsatzes sei eine kleine Zahl von türkischen Spezialeinheiten auf syrisches Gebiet vorgedrungen, um den Einsatz abzusichern.
Erdogan versuchte in einer ersten Erklärung erst gar nicht zu verbergen, dass der Einsatz auch gegen die von Osten vorrückenden kurdischen Milizen gerichtet ist. "Hinter diese Angriffe muss jetzt ein Schlusspunkt gesetzt werden", forderte Erdogan. "Das müssen wir lösen".
Verstoß gegen Souveränität
Das syrische Außenministerium kritisierte die türkische Offensive in einer ersten Reaktion als Verstoß gegen die Souveränität des Landes. Es gehe nicht darum, den Terrorismus zu bekämpfen, sondern ihn durch einen anderen zu ersetzen. Der Kampf gegen den Terrorismus in Syrien dürfe nur in Abstimmung mit der Regierung und Armee des Landes erfolgen.
Jarablus ist eine der letzten größeren IS-Bastionen an der Grenze zur Türkei. Der Ort liegt rund 35 Kilometer nördlich der Stadt Manbij, die erst kürzlich von einem Bündnis unter Führung der syrischen Kurden-Miliz YPG zurückerobert worden war.
Unterstützung aus den USA
Nach Angaben aus US-Regierungskreisen unterstützen US-Streitkräfte die türkische Offensive aus der Luft sowie mit Geheimdienstinformationen und Militärberatern. Den Angaben zufolge wollen die USA vermeiden, dass es in Nordsyrien zu direkten Auseinandersetzungen zwischen - ebenfalls von ihnen unterstützten - kurdischen Einheiten und den türkischen Streitkräften kommt. Den syrischen Kurden sei mitgeteilt worden, dass sie nicht weiter auf die Grenzstadt Jarablus vorrücken sollten.
Die Türkei hat mehrfach vor einem weiteren Vorrücken der Milizen gewarnt. Ankara sieht die YPG ebenso wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK als terroristisch an und will unter allen Umständen vermeiden, dass an seiner Südgrenze ein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet der Kurden entsteht. Erst Anfang der Woche hatte die Türkei Stellungen der Kurdenmiliz in der Nähe der Stadt Manbij beschossen.
Heftige Kritik
Heftige Kritik an der türkischen Offensive kam am Mittwoch auch postwendend vom Co-Vorsitzenden der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim. "Die Türkei ist im syrischen Sumpf", schrieb er auf Twitter. "Sie wird besiegt werden wie Daesh." Daesh ist die arabische Abkürzung für die Terrormiliz IS.
Der türkische Außenminister warf der PYD wiederum vor, den Kampf gegen den IS nur als Vorwand zu benutzen, um ein eigenes Herrschaftsgebiet in Syrien aufzubauen. Wenn es den syrischen Kurden um den Kampf gegen den IS ginge, würden sie begrüßen, was die Türkei in Jarablus mache, sagte Mevlüt Cavusoglu.
Joe Biden in Ankara
Kurz nach Beginn der türkischen Offensive in Nordsyrien traf am Mittwoch auch US-Vizepräsident Joe Biden zu politischen Gesprächen in der türkischen Hauptstadt Ankara ein. Biden ist der erste westliche Spitzenpolitiker, der das Land seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli besucht. Die Beziehungen zwischen den USA und ihrem wichtigen NATO-Partner Türkei stecken derzeit in einer tiefen Krise.
Ein zentrales Thema bei den Gesprächen wird das Auslieferungsgesuch der türkischen Regierung für den islamischen Prediger Fethullah Gülen sein, der seit 1999 im Exil in Pennsylvania lebt und lange Jahre ein enger Vertrauter des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan war. Ankara macht den 75-jährigen Gründer der einflussreichen Hizmet-Bewegung für den Umsturzversuch verantwortlich, obwohl er jede Verwicklung bestreitet. Washington fordert konkrete Beweise für eine Auslieferung.