Die Türkei kündigt Sanktionen gegen die Niederlande an
Die Türkei setzt im Streit mit den Niederlanden über Wahlkampfauftritte von Politikern immer stärker auf Konfrontation. Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte am Montag an, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. Die Regierung will zudem die diplomatischen Beziehungen auf höchster Ebene aussetzen und den niederländischen Botschafter nicht mehr einreisen lassen.
Ministerpräsident Mark Rutte sagte, solange sein Land bedroht werde, gebe es mit der türkischen Regierung keine Verhandlungen.
Solidarität
Im Streit solidarisierte sich die deutsche Regierung mit den Niederlanden. Kanzlerin Angela Merkel sagte am Montag in München, sie lehne Nazi-Vergleiche türkischer Politiker ab, dies gelte auch für "befreundete Länder wie zum Beispiel die Niederlande".
Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte seine Solidarität mit den Niederlanden. In einem Telefonat mit dem niederländischen Außenminister Bert Koenders am Montag betonte Kurz seine Haltung zu türkischen Wahlkampfveranstaltungen in Österreich. "Die Polarisierung darf nicht nach Österreich getragen werden", erklärte er gegenüber Koenders, wie ein Sprecher des Außenministeriums am Montag berichtete.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bekräftigte unterdessen am Montagabend, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich verhindern zu wollen. Beim bevorstehenden Referendum gehe es "mehr oder weniger um die Abschaffung der Demokratie in der Türkei", sagte er in der ZiB2 des ORF. Kern warnte angesichts der Bilder aus Rotterdam vor bewussten Eskalationsversuchen.
Neuer Tiefpunkt
Der Streit ist ein neuer Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen der Türkei und der EU und lässt einen Beitritt zur Union in immer weitere Ferne rücken. Hintergrund sind Auftritte türkischer Politiker, die in beiden Staaten für ein Referendum werben wollen, mit dem ein umstrittenes Präsidialsystem installiert werden soll, das Erdogan deutlich mehr Macht geben würde. Die Niederlande untersagten Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Wochenende die Einreise und verwiesen Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya des Landes. Daraufhin kam es in Rotterdam zu Krawallen. Die Regierung in Ankara forderte nun eine Maßregelung von Polizisten, die dabei gegen Anhänger Erdogans vorgegangen waren.
Der Präsident selbst erklärte: "Sie nutzen das internationale Recht, wenn es ihnen passt, und reden sich heraus." Es würden bereits Vorbereitungen getroffen, den Fall vor den Menschenrechtsgerichtshof zu bringen. "Wir werden dafür sorgen, dass die Niederlande dafür schnell zur Rechenschaft gezogen werden." Deutschland warf der Politiker vor, "gnadenlos" den Terrorismus zu unterstützten. Der in der Türkei inhaftierte deutsch-türkische "Welt"-Journalist Deniz Yücel sei ein Agent und ein Terrorist.
Der stellvertretende Ministerpräsident Numan Kurtulmus kündigte schließlich an, dass Flugzeuge mit niederländischen Diplomaten an Bord nicht mehr in der Türkei landen dürften. "Wir machen genau das, was sie mit uns gemacht haben." Dem Parlament solle empfohlen werden, das Freundschaftsabkommen mit den Niederlanden aufzukündigen. Kurtulmus stellte außerdem das türkisch-europäische Flüchtlingsabkommen erneut infrage. Wirtschaftssanktionen oder Reisebeschränkungen für normale Bürger sind aber offenbar nicht geplant.
Die Niederlande sind mit einem Volumen von 22 Milliarden Dollar (20,63 Mrd. Euro) für die Türkei die wichtigste Auslandsquelle für Direktinvestitionen. Der EU-Staat steht für türkische Exporteure in der Rangliste zudem auf Platz zehn. Trotz der Angst vor Anschlägen reisen noch immer Hunderttausende Niederländer in die Türkei in den Urlaub.
Erdogan hatte den Niederlanden und auch Deutschland bereits Nazi-Methoden vorgeworfen. Diese Kritik wies die deutsche Kanzlerin Merkel zurück. Sie führe völlig in die Irre und verharmlose das Leid, sagte sie in München. Die EU-Kommission warnte die Türkei davor, den Streit zu befeuern. Die Zu- und Absage von Wahlkampfauftritten sei aber allein Aufgabe der Mitgliedsländer. Damit widersprach die Kommission Forderungen etwa aus Deutschland, die EU müsse eine gemeinsame Linie bei den Auftritten finden.
Die EU-Kommission kündigte an, die Novelle der türkischen Verfassung mit Blick auf die Beitrittswünsche genau zu prüfen. Erdogan rechtfertigt die Reformpläne damit, die Türkei werde damit nach dem gescheiterten Militärputsch vom vergangenen Sommer stabilisiert.