Ministerpräsident Erdogan fordert aber Verfassungsänderung.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich zur Rücknahme eines umstrittenen Gesetzesentwurfs bereit erklärt, mit dem die Regierung die Kontrolle über die Justiz stärken wollte. Er fordere im Gegenzug aber von der Opposition, dass sie in dieser Frage einer Verfassungsänderung zustimme, sagte Erdogan am Dienstag vor Abgeordneten seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung.
Am Vortag hatte Erdogan mit Präsident Abdullah Gül über diese Frage beraten. Der umstrittene Gesetzesentwurf zur Reform des Justizkontrollgremiums Hoher Richterrat sieht unter anderem vor, dass das Justizministerium das letzte Wort bei der Besetzung juristischer Schlüsselfunktionen erhält und dem Rat das Recht entzogen wird, Regierungsdekrete zu genehmigen. Der Richterrat wies die Pläne als "verfassungswidrig" zurück. Auch die US-Regierung und der Europarat in Straßburg warnten vor einer Beschneidung des Rechtsstaats.
Die Opposition wirft der Regierung vor, mit dem Gesetz die Ermittlungen der Justiz stoppen zu wollen. Erdogans Regierung sieht sich derzeit mit einem riesigen Korruptionsskandal konfrontiert. Istanbuler Staatsanwälte hatten am 17. Dezember dutzende Verdächtige festnehmen lassen, darunter die Söhne von Ministern. Bei dem Skandal geht es unter anderem um die Bestechung von Politikern, illegale Goldgeschäfte mit dem Iran und rechtswidrige Bauvorhaben.
Erdogan betrachtet die Ermittlungen als Verschwörung regierungsfeindlicher Kräfte mit dem Ziel, seiner Partei AKP vor den Kommunalwahlen Ende März zu schaden. Beobachtern zufolge steckt hinter der Affäre ein Machtkampf zwischen der AKP und der Bewegung des einflussreichen islamischen Predigers Fethullah Gülen, der besonders in Polizei und Justiz zahlreiche Anhänger hat.
Die politischen Turbulenzen beunruhigen auch die Wirtschaft. Die Währung ist seit Beginn der Affäre stark eingebrochen und fiel am Dienstagmittag erstmals auf drei türkische Lira für einen Euro.