Deutscher Verfassungsschutz warnt:
Türkische Gewalt könnte auch in Europa eskalieren
09.03.2017
Die Behörde warnt vor "Stellvertreterauseinandersetzungen" in Europa.
Im Zusammenhang mit der Entwicklung in der Türkei befürchtet der Bundesverfassungsschutz auch in Deutschland gewalttätige Zusammenstöße zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen Deutschtürken. "Wir sehen seit langem, dass die Konflikte in der Türkei auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben", sagte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen am Mittwoch.
Die Bruchlinien zwischen den verschiedenen Lagern in der Türkei bildeten sich spiegelbildlich in Deutschland ab. "Es besteht die Gefahr, dass diese Stellvertreterauseinandersetzungen zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen/rechtsextremistischen Türken eskalieren, weil in beiden Szenen ein hohes, schlagkräftiges Gefährdungspotenzial vorhanden ist." Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist in Deutschland wie der Türkei verboten und als Terrororganisation eingestuft.
Der Verfassungsschutz beobachtet nach eigenen Angaben nicht nur eine Zunahme der Spannungen zwischen den beiden Lagern unter den Deutschtürken, sondern auch einen signifikanten Anstieg der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der Türkei in Deutschland. So ermittelt die Bundesanwaltschaft seit einiger Zeit gegen mehrere Geistliche des staatlichen türkischen Islamverbandes Ditib wegen des Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit. Sie werden beschuldigt, im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Anhänger des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen ausspioniert zu haben. Die türkische Regierung macht Gülen für den Putschversuch vom Sommer verantwortlich. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Österreich: Auch hier hat die Staatsanwaltschaft kürzlich Ermittlungen gegen die Türkisch-Islamische Union ATIB wegen Spionagevorwürfen aufgenommen.
Wie der Chef des Verfassungsschutzes außerdem mitteilte, steigt die Zahl gewaltbereiter Islamisten in Deutschland weiter. Anschläge seien nach Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes nach wie vor jederzeit möglich. "Wir haben eine unverändert hohe Gefährdungslage in Deutschland. Deutschland ist in der Zielauswahl des IS im Laufe des Jahres 2016 deutlich priorisiert", so Maaßen.
Eine Radikalisierung ortete der Verfassungsschutz auch in der rechten Reichsbürgerszene. Dort gebe es teilweise eine "erhebliche Gewaltbereitschaft". Die Agitation, die die Bewegung im Internet betreibe, habe sich "zunehmend enthemmt". Der Verfassungsschutz geht von 10.000 Anhängern der deutschen Szene aus, darunter 500 bis 600 Rechtsextremisten.