Arseni Jazenjuk soll Übergangsregierung in der Ukraine führen.
Der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk - eine Symbolfigur der Protestbewegung vom Maidan - soll die Übergangsregierung in der Ukraine führen. Das schlug der Rat der Demonstranten am Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew am Mittwochabend vor. Dem Vorschlag muss das Parlament am Donnerstag noch zustimmen.
Dem Interimskabinett soll auch der mutmaßlich gefolterte Regierungsgegner Dmitri Bulatow als Sportminister angehören. Oleksandr Schlapak wurde als neuer Finanzminister vorgeschlagen, Andrej Deshchytsya soll Außenminister werden. Die prominenten Oppositionspolitiker Julia Timoschenko und Vitali Klitschko standen hingegen nicht auf der Liste, die den Zehntausenden auf dem Maidan vorgestellt wurde.
Wenige Tage nach dem Umsturz in der Ukraine heizt Russland mit militärischen Muskelspielen die ohnehin gespannte Lage im Nachbarland auf. Kremlchef Wladimir Putin ordnete eine Überprüfung der Gefechtsbereitschaft der russischen Streitkräfte an. Betroffen seien 150.000 Soldaten verschiedener Waffengattungen, gab Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Mittwoch bekannt. Das habe aber nichts mit den Ereignissen in der Ukraine zu tun, vielmehr gehe es um die Bereitschaft für Krisenlagen sowie bei militärischer Bedrohung.
Die NATO betonte, sie unterstütze die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine. Eine "souveräne, unabhängige und stabile Ukraine, die der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist", sei von entscheidender Bedeutung für die euro-atlantische Sicherheit, unterstrichen die Verteidigungsminister der 28 NATO-Staaten in einer Erklärung. Die NATO stehe bereit, um die Ukraine bei der Umsetzung von Reformen zu unterstützen.
Der Interims-Innenminister ordnete an, die wegen brutaler Übergriffe auf Regierungsgegner umstrittene Sonderpolizei "Berkut" aufzulösen. Die 3.000 Mann starke Truppe diente vor allem zur Verbrechensbekämpfung, trat aber auch bei den Demonstrationen, bei denen in der Vorwoche mindestens 82 Menschen starben, in Erscheinung. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Aufklärung aller Todesfälle und die Bestrafung der Täter. Interimspräsident Alexander Turtschinow ernannte sich selbst per Dekret zum neuen Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Beobachter sahen in der Ankündigung Moskaus, die Einsatzbereitschaft des Militärs zu prüfen, vor allem ein Säbelrasseln - und keine Drohung der Russen gegen das "Brudervolk". Gleichwohl sitzen die Ängste bei vielen in der Ukraine tief, dass Russland auch sein Militär einsetzen könnte, um etwa eine Abspaltung russischsprachiger Gebiete im Osten und Süden zu unterstützen - ganz zu schweigen von der Krim, die viele Russen als ihr Territorium ansehen.
Auf der Halbinsel, auf der mehrheitlich Russen leben, ließ Schoigu Schritte einleiten, um die russische Schwarzmeerflotte besser vor möglichen Übergriffen bewaffneter radikaler Nationalisten zu schützen. In der Krim-Hauptstadt Simferopol kam es zu Gewalt zwischen antirussischen Demonstranten und moskautreuen Einwohnern. In Sewastopol, dem Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, richteten moskautreue Kräfte Grenzposten ein. Dort übernahm nach einer Straßenabstimmung der Russe Alexander Tschalyi das Bürgermeisteramt.
US-Außenminister John Kerry betonte, der Umsturz in der Ukraine verschlechtere das Verhältnis zwischen den USA und Russland nicht. Die Entmachtung des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und die internationalen Reaktionen sollten nicht als ein "Westen gegen den Osten" verstanden werden, sagte Kerry in Washington. Janukowitsch hält sich nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft weiterhin in der Ukraine auf.
Das Land selbst steuert unterdessen auf einen Staatsbankrott zu. Bis Jahresende fehlen im Haushalt nach Angaben der neuen Machthaber mindestens 25 Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union wollen Finanzhilfen aber erst gewähren, wenn die neue Regierung steht und ein Sanierungsprogramm beschließt. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte, der IWF habe einen Vertreter vor Ort, der die Finanzlage sehr genau bewerten werde.
Die Wahl eines regulären neuen Präsidenten ist am 25. Mai geplant. Oppositionspolitiker Klitschko hat seine Kandidatur bereits angekündigt. Ob die aus der Haft entlassene Ex-Regierungschefin Timoschenko ebenfalls kandidiert, ist offen. Timoschenko will sich im März in Berlin wegen eines Bandscheibenvorfalls behandeln lassen.