Selenskyj spricht von "Terror"

Angriff auf Kunstschule in Mariupol

20.03.2022

Noch gibt es keine Angaben zur Anzahl der Todesopfer. Selenskyj spricht von "Terror".

Zur Vollversion des Artikels
© APA / AFP
Zur Vollversion des Artikels

Die Kämpfe in der Ukraine sind auch am 25. Tag des russischen Krieges gegen das Nachbarland weitergegangen. Russland berichtete erneut vom Einsatz einer Hyperschallrakete, die ukrainische Seite sprach von Angriffen auf verschiedene Städte und auch Toten in der Nacht auf Sonntag. Vor allem die Lage in der Hafenstadt Mariupol blieb katastrophal, nach Angaben des Stadtrats wurde dort eine Kunstschule Ziel eines Bombenangriffs. 400 Menschen hätten dort Schutz gesucht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich mit drastischen Worten an die Bevölkerung in Russland. Es häuften sich die Leichen russischer Soldaten, sagte er in einer Videobotschaft.

Selenskyj teilte in der Nacht per Videobotschaft mit, dass der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat die Arbeit einer Reihe von prorussischen Parteien für die Dauer des Krieges im Land verboten habe. "Die Aktivitäten von deren Politikern, die auf Spaltung oder Kollaboration abzielen, werden keinen Erfolg haben, dafür aber eine harte Antwort erhalten", wurde Selenskyj von der "Ukrajinska Prawda" zitiert. Zu den betroffenen Parteien gehören unter anderem die "Oppositionsplattform für das Leben" und der "Oppositionsblock", die auch im Parlament vertreten sind. Sie gelten ebenso wie die übrigen neun nunmehr verbotenen außerparlamentarischen Parteien als euroskeptisch, antiliberal oder als prorussisch.

Russland setzt Hyperschallraketen ein

Das russische Militär setzte nach eigenen Angaben abermals die Hyperschallrakete "Kinschal" (Dolch) ein. Ein Treibstofflager im Süden der Ukraine wurde demnach getroffen. Der Militärstützpunkt im Gebiet Mykolajiw sei aus dem Luftraum über der von Russland annektierten Halbinsel Krim angegriffen worden, sagte Igor Konaschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, in Moskau. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Am Samstag hatte Russland das erste Mal seit Beginn des Krieges über den Einsatz seiner neuen ballistischen Luft-Boden-Rakete "Kinschal" berichtet.

Beim Beschuss eines mehrstöckigen Wohnhauses in Charkiw im Osten gab es ukrainischen Angaben zufolge Todesopfer - darunter sei ein neun Jahre alter Bub. In der Nacht auf Sonntag habe es mehrere Angriffe gegeben. Gebäude seien dabei in Brand geraten, teilte das Militär mit. Die Armee sprach von mindestens zwei Todesopfern, der Vize-Polizeichef des Gebiets Charkiw, Wjatscheslaw Markow, bei Facebook von fünf. Diese Zahl wurde auch im ukrainischen Fernsehen genannt. Angaben zu Opferzahlen und zu Angriffen in der Ukraine ließen sich auch am Sonntag nicht unabhängig überprüfen. Den Behörden der Stadt zufolge sind seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine vor mehr als drei Wochen allein in Charkiw 266 Zivilisten getötet worden. Russland bestreitet, Zivilisten anzugreifen.

Zu möglichen Opfern beim Angriff auf die Kunstschule in Mariupol wurden zunächst keine Angaben gemacht. Unter den Menschen, die in dem Gebäude Schutz gesucht hatten, waren laut dem Stadtrat Frauen, Kinder und Ältere. Das Gebäude sei bei dem Angriff am Samstag zerstört worden, hieß es bei Telegram. "Menschen liegen noch immer unter den Trümmern." Der Stadtrat machte russische Truppen für den Angriff verantwortlich.

Mindestens 50 Tote bei Angriff auf Kaserne

Nach einem Raketenangriff auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine sollen Helfer am Samstag mindestens 50 Tote aus den Trümmern geborgen haben. Insgesamt hätten rund 200 Soldaten in dem Gebäude geschlafen, als die Raketen einschlugen, berichtete die "Ukrajinska Prawda". Auch um die nordukrainische Stadt Tschernihiw gibt es nach Militärangaben aus Kiew weiter schwere Gefechte.

Um Kiew, Charkiw und Mariupol wurden sieben humanitäre Korridore für flüchtende Zivilisten eingerichtet. Über die Wege sollten auch Hilfsgüter in die Städte gebracht werden, teilte die ukrainische Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk mit.

Mit martialischen Worten über schwere russische Kriegsverluste richtete sich Selenskyj in seiner Videobotschaft an die Bevölkerung in Russland. "An den Brennpunkten besonders schwerer Kämpfe sind unsere vordersten Abwehrlinien mit Leichen russischer Soldaten praktisch überhäuft. (...) Und diese Leichen, diese Körper werden von niemandem geborgen." Er könne verstehen, das Russland über schier endlose Reserven an Soldaten und Militärgerät verfüge. "Aber ich möchte von den Bürgern Russlands wissen: Was hat man mit Ihnen in diesen Jahren getan, dass Sie Ihre Verluste nicht bemerkt haben?"

Die Ukraine gibt die Anzahl der bisherigen Verluste Russlands mit 14.700 Personen und 476 Panzern an. Diese Zahlen bezögen sich auf russische Verluste in den Kämpfen seit Beginn der Invasion am 24. Februar, teilte das ukrainische Militär am Sonntag mit. Russland selbst hatte zuletzt am 2. März Zahlen zu eigenen Verlusten genannt und von fast 500 gefallenen Soldaten gesprochen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die Ukraine und Russland nähern sich der Türkei zufolge bei kritischen Punkten an. Bei einigen Themen gebe es fast eine Einigung, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu der Tageszeitung "Hürriyet". Er hoffe auf eine Waffenruhe, sofern es bei den Gesprächen zwischen den beiden Ländern keinen Rückschritt gebe und die erzielten Fortschritte damit zunichtegemacht würden.

Die Ukraine befürchtet unterdessen einen Angriff auf die westliche Region Wolyn von Belarus aus. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, teilte das Präsidialamt unter Berufung auf das Militär mit. Unklar blieb, ob russische Truppen von belarussischem Boden aus angreifen würden oder das belarussische Militär. Bisher konzentrierte sich der Einmarsch Russlands in die Ukraine auf den Norden, Süden und Osten des Landes. Der russische Präsident Wladimir Putin nennt das Vorgehen einen militärischen Sondereinsatz, um die Ukraine zu "entnazifizieren" und zu "entmilitarisieren". Der Westen hingegen spricht von einem völkerrechtlich inakzeptablen Angriffskrieg und hat deshalb schwere Wirtschaftssanktionen verhängt.
 

Zur Vollversion des Artikels