Beitritt rückt näher

Bekommt Ukraine jetzt EU-Kandidatenstatus?

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Der Status wäre die erste Stufe auf einem komplizierten Weg hin zu einer möglichen Mitgliedschaft in der Europäischen Union.  

Die EU-Kommission wird am Freitag ihre Empfehlung abgeben, ob die Ukraine den beantragten EU-Kandidatenstatus bekommen soll. Der Status wäre die erste Stufe auf einem komplizierten Weg hin zu einer möglichen Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Die 27 EU-Staaten müssen auf dem Gipfel kommende Woche entscheiden, ob sie der Empfehlung folgen wollen.

Während viele osteuropäische Staaten vehement dafür sind, gibt es laut Diplomaten durchaus Vorbehalte. Das liegt zum einen an der EU selbst, zum anderen an der Ukraine - und an anderen Aspiranten für einen Beitritt.

Bekenntnis zu Europa

Das stärkste Argument für einen Kandidatenstatus ist derzeit, dass man die Ukraine nach dem Angriff Russlands unterstützen und an die EU binden müsse. "Sie hat mit ihrem Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union ein starkes Bekenntnis zu Europa abgegeben", betonte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Osteuropäische Mitgliedsstaaten verweisen darauf, dass der Ukraine derzeit der Weg in die NATO versperrt ist. Deshalb sollte sie zumindest an die EU herangeführt werden. Um Vorbehalte etwa in Westeuropa zu entkräften, verweist etwa der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger darauf, dass es aber keine Abkürzung für die Ukraine bei einem Beitritt geben dürfe, sondern das Land alle Kriterien erfüllen müsse. In Deutschland unterstützen die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP einen Kandidatenstatus für die Ukraine.

Hinter den Kulissen gibt es laut EU-Diplomaten allerdings in einigen Ländern Bedenken gegen einen Beitritt. Ein Grund ist, dass kein Land mit ungelösten territorialen Konflikten der EU beitreten kann. Diesen Konflikt gibt es aber schon seit 2014 mit der russischen Annexion der Halbinsel Krim und den pro-russischen Separatisten-Gebieten im Osten der Ukraine. Diese Probleme würden erst bei einem tatsächlichen Beitritt relevant, nicht schon beim Kandidatenstatus. Länder wie Schweden haben laut EU-Diplomaten zudem Vorbehalte, weil die Ukraine weit von den Rechtsstaatsstandards entfernt sei, die für ein künftiges EU-Mitgliedsland nötig wären.

Bedenken

Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte darauf verwiesen, dass sich die EU vor der Aufnahme weiterer Länder erst selbst reformieren müsse. Auch Scholz dringt auf die weitgehende Abschaffung der Einstimmung bei Entscheidungen der 27 EU-Länder. Sollte ein großes Land wie die Ukraine mit mehr als 40 Millionen Einwohnern beitreten, hätte dies auch erhebliche Auswirkungen auf die Geldzuweisungen aus Brüssel und das Stimmengewicht der einzelnen Länder etwa im Europäischen Parlament.

Der Status ist nur die erste Stufe eines langen Beitrittsprozesses mit vielen Zwischenstufen. Dieser reicht über die Aufnahme von Verhandlungen bis zur Eröffnung von Beitrittskapiteln. Für jeden Schritt ist jeweils eine erneute Einstimmigkeit der 27 Mitgliedstaaten erforderlich. Einige Länder haben schon seit vielen Jahren einen Kandidatenstatus - die Türkei sogar seit 1999. Serbien beispielsweise besitzt ihn erst seit 2012, Nordmazedonien seit 2005 und Montenegro seit 2010. Dies zeigt, dass der Status alleine nichts über die tatsächlichen Beitrittschancen aussagt. Obwohl etwa bereits zahlreiche Beitrittskapitel in den Verhandlungen mit der Türkei geöffnet wurden, gilt ein Beitritt des Landes am Bosporus derzeit nicht mehr als möglich.

Neben der Ukraine haben auch zwei andere ehemalige Sowjetrepubliken den EU-Beitritt beantragt - die Republik Moldau und Georgien. Die EU muss entscheiden, ob sie angesichts des russischen Angriffs eine Sonderregelung für die Ukraine schafft - oder ob sie allen drei oder zumindest auch Moldau einen Kandidatenstatus gibt. Dies gilt als umstritten im Kreis der 27.

Vor allem Scholz hatte anfängliche Rufe nach einer schnellen EU-Mitgliedschaft der Ukraine mit dem Hinweis auf die sechs Westbalkan-Staaten gekontert, die bereits Beitrittsstatus haben. Er drängt die anderen EU-Partner darauf, endlich den Weg für die Aufnahme von konkreten Verhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien freizumachen. Früher bremsten Frankreich und die Niederlande, derzeit ist dies vor allem Bulgarien. Scholz könnte seine Zustimmung zur Ukraine daran knüpfen, dass Albanien und Nordmazedonien endlich den nächsten Schritt gehen können.

Der Europa-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Nicolai von Ondarza, hält es für denkbar, dass die Ukraine einen Kandidatenstatus erhält - aber unter Auflagen. So könnten etwa Rechtsstaatsbedenken berücksichtigt werden. Die Ukraine erhielte aber zugleich das Signal, zur europäischen Familie zu gehören.

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