Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping warnt Putin vor dem Einsatz von Atomwaffen.
China und Deutschland haben vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Kriegs gewarnt. "Staatspräsident Xi und ich sind uns einig: Atomare Drohgebärden sind unverantwortlich und brandgefährlich", sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag nach Gesprächen in Peking. Bei ihrem vorangegangenen Treffen sagte Staats- und Parteichef Xi Jinping: "Der Einsatz von nuklearen Waffen oder die Drohung damit muss abgelehnt werden."
Die internationale Gemeinschaft solle sich dafür einsetzen, "dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden können und nukleare Kriege nicht gekämpft werden dürfen". Die betreffenden Parteien müssten Zurückhaltung üben und Bedingungen für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen schaffen, sagte Xi laut dem deutschen Außenministerium. Die Weltgemeinschaft sollte alle Anstrengungen unternehmen, die für eine friedliche Lösung förderlich seien.
Deutlicher als je zuvor
Kritik an seinem strategischen Partner Russland wegen dessen Einmarsches in der Ukraine äußerte Xi zwar weiterhin nicht. Doch sowohl Xi als auch Regierungschef Li Keqiang äußerten am Freitag deutlicher als je zuvor seit Beginn des Angriffskrieges Sorgen über den Konflikt, in dem China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bisher Rückendeckung gab.
China hoffe mit Deutschland auf ein "baldiges Ende" des Kriegs, sagte der Premier. "Wir können uns keine weitere Eskalation leisten." Scholz trat mit Li gemeinsam vor der Presse auf. Fragen von Journalisten wurden allerdings nicht erlaubt, was bei Besuchen seiner Vorgängerin Angela Merkel noch möglich war.
Scholz nahm China als Mitglied des UNO-Sicherheitsrats in die Pflicht. Als solches habe die Volksrepublik auch Verantwortung für den Frieden in der Welt: "Ich habe Präsident Xi gesagt, dass es wichtig ist, dass China seinen Einfluss auf Russland geltend macht." Vor seinem Abflug sagte Scholz noch, der Besuch finde genau zu dem Zeitpunkt statt, "wo es darauf ankommt, Bewegung in festgefahrene Strukturen zu bringen".
Umstrittene Reise
Der Antrittsbesuch des deutschen Kanzlers in Peking war überschattet von strengen Corona-Maßnahmen, da China unverändert eine strikte Null-Covid-Strategie verfolgt. Scholz und seine Delegation mit einer kleinen Gruppe von Wirtschaftsvertretern mussten sich testen lassen und durften sich nur in einer hermetisch abgeriegelten "Blase" bewegen. Xi begrüßte den Kanzler zwar ohne Maske, aber nicht mit Handschlag. Eine Übernachtung wurde vermieden, so dass die Visite mit elf Stunden so kurz ausfiel wie noch keine Kanzlerreise zuvor.
"Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin", begann Scholz seine Bilanz der umstrittenen Reise. Bemängelt wurde, dass der deutsche Bundeskanzler dem Staats- und Parteichef Xi als erster westlicher Regierungschef unmittelbar nach dem Ausbau seiner Macht und seiner Wiederwahl auf dem Parteitag vor knapp zwei Wochen die Aufwartung machte. China steht zudem wegen Menschenrechtsverletzungen, wegen des Säbelrasselns gegenüber Taiwan und des forscheren außenpolitischen Auftretens in der Kritik.
Scholz verteidigte seine Reise. "Der russische Überfall auf die Ukraine hat den Krieg zurückgebracht nach Europa." In Zeiten der Krisen seien Gespräche noch wichtiger. Der SPD-Politiker warnte zudem die chinesische Führung vor einem militärischen Eingreifen in Taiwan. Zwar befolge Deutschland eine "Ein-China-Politik". Das bedeute aber auch, dass alle Veränderungen des Status quos von Taiwan "nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen" erfolgen dürften.
Die Spannungen hatten sich jüngst verschärft. Xi hatte auf dem Parteitag erneut damit gedroht, die demokratische Inselrepublik militärisch einnehmen zu wollen, sollten sich die Taiwaner gegen eine friedliche "Vereinigung" sperren. Die kommunistische Führung betrachtet die Insel als Teil der Volksrepublik. Das 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan hingegen sieht sich längst als unabhängig.
Der Kanzler unterstrich zudem, dass Menschenrechte "universell" seien, was von allen Mitglieder der Vereinten Nationen anerkannt werde. Er habe in seinen Gesprächen an die Verpflichtung zur Wahrung und Umsetzung der Menschenrechte erinnert. Er nannte ausdrücklich die nordwestchinesische Region Xinjiang, wo nach Angaben des UNO-Menschenrechtskommissariats muslimische Minderheiten verfolgt werden. Dies sei "keine Einmischung in innere Angelegenheiten", wies der Kanzler die chinesische Argumentation zurück.
Wie erst nach dem Abflug von Scholz aus Peking aus Regierungskreisen bekannt wurde, hatte Scholz sich bereits vor seiner Reise nach China über eine gesicherte Videoleitung mit chinesischen Menschenrechtsanwälten unterhalten. Ein Treffen in Peking war wegen der strengen Corona-Auflagen nicht möglich. Begegnungen von Kanzler oder Kanzlerin mit Mitgliedern der chinesischen Zivilgesellschaft gelten aus deutscher Sicht immer als ein zentrales Element von China-Reisen.
Trotz aller Differenzen mit China will Scholz allerdings auch die Wirtschaftskooperation voranbringen. Er bemängelte aber, dass der wirtschaftliche Austausch "für deutsche Firmen schwieriger geworden ist". "Das gilt für den Marktzugang, der von europäischer Seite sehr offen ist, während China viele Sektoren abschottet." Scholz nannte auch den Schutz von geistigem Eigentum. "Zudem stellen wir fest, dass in China immer häufiger Autarkiebestrebungen diskutiert werden, wo früher wirtschaftlicher Austausch im Vordergrund stand."