NATO-Staaten beraten über Umgang mit Putins Atomdrohungen
Brüssel/Kiew (Kyjiw)/Moskau. Die europäischen NATO-Staaten wollen zusammen ein Luftabwehrsystem beschaffen. Eine entsprechende Absichtserklärung haben die Länder unterzeichnet, teilte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in Brüssel mit. Dort berieten die NATO-Verteidigungsminister über den Umgang mit russischen Atomdrohungen. Die Aufnahme der Ukraine in die NATO könnte in einen Dritten Weltkrieg münden, warnte der Vizesekretär des russischen Sicherheitsrats, Alexander Wenediktow.
Lambrecht unterzeichnete am Donnerstag am Rande des NATO-Treffens in Brüssel mit Kolleginnen und Kollegen die Erklärung zu der sogenannten European Sky Shield Initiative. Dabei handle es sich unter anderem um das Patriot-System. Neben Deutschland sind demnach Großbritannien, die Slowakei, Norwegen, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien und Slowenien dabei. Zudem will nach Angaben von Diplomaten auch Estland mitmachen.
Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern
Die Initiative soll helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Schutzschirm für Europa zu schließen. Defizite gibt dort beispielsweise im Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen, aber auch bei der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern. Über die European Skyshield Initiative sollen nun unter anderem gemeinsam neue Waffensysteme eingekauft werden.
Hintergrund der deutschen Initiative ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Er hat die Sicherheitslage in Europa nach Einschätzung der NATO fundamental verändert und macht deswegen zusätzliche Anstrengungen bei der Luftverteidigung notwendig. Bisher war die Raketenabwehr in Europa vor allem auf mögliche Bedrohungen aus dem Iran ausgerichtet.
"Kiew ist sich bewusst, dass ein solcher Schritt eine sichere Eskalation hin zu einem Dritten Weltkrieg bedeutet", sagte Wenediktow, am Donnerstag im Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach der formellen Annexion von vier ukrainischen Regionen durch Russland Ende September angekündigt, einen beschleunigten Beitritt zur NATO zu beantragen. Selenskyj fordert außerdem, dass die NATO die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes durch Russland ausschließen müsse.
Format der sogenannten Nuklearen Planungsgruppe
Die NATO-Verteidigungsminister wollen am Donnerstag bei einem Treffen im Format der sogenannten Nuklearen Planungsgruppe unter anderem um die NATO-Atomwaffenstrategie und Pläne zur Modernisierung der aktuellen Infrastruktur beraten. Zudem ist eine Unterrichtung über das jährliche Manöver zur Verteidigung des Bündnisgebiets mit Atomwaffen vorgesehen. Die Abschreckungsübung Steadfast Noon soll nach Angaben von Stoltenberg in der kommenden Woche beginnen.
Russland hatte zuletzt vier besetzte ukrainische Gebiete völkerrechtswidrig annektiert. Unter anderem Putin kündigte an, man werde sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen. Damit schürte der Kreml-Chef Wladimir Putin die Sorge, Russland könne auf dem Schlachtfeld taktische Atomwaffen mit eingeschränkter Reichweite einsetzen.
Informationen zu möglichen Beschlüssen der Nuklearen Planungsgruppe werden nicht erwartet. Sie sind in der Regel geheim. Beteiligt an den Beratungen sind mit Ausnahme von Frankreich alle NATO-Staaten. Die derzeit einzige Atommacht unter den EU-Staaten setzt seit Jahrzehnten auf das Prinzip der "nuklearen Unabhängigkeit".
Weiteres Thema des Verteidigungsministertreffens sind gemeinsame Anstrengungen zum Ausbau der Kapazitäten der Rüstungsindustrie. Zudem soll es nach den mutmaßlichen Sabotageakten gegen die Erdgasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 um zusätzlichen Schutz für kritische Infrastruktur gehen. Dazu werden neben Pipelines beispielsweise auch Stromnetze und Datenkabel gezählt.