Krieg in Europa

Fünf Szenarien zur Ukraine-Krise

23.03.2022

Der russische Überfall auf ein europÄisches Land hat viele Gewissheiten vernichtet. Was kommt jetzt? Der INSIDER zeigt fünf Zukunftsszenarien.  

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© AFP/APA
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Vor einem Monat begann das Unvorstellbare: Krieg in Europa. Am 24. Februar überfiel die russische Armee das Nachbarland Ukraine. Nach einem Bombardement der Flugplätze, Luftabwehr und weiterer militärischer Einrichtung scheiterten die Russen am schnellen "Enthauptungsschlag".

Die ukrainische Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj überlebte den ersten Angriffssturm. Eine Luftlandung der Russen am Antonov-Flughafen - nur 25 Kilometer vom Präsidentenpalast in Kiew -schlugen die ukrainischen Soldaten zurück. Seitdem herrscht in der Ukraine ein blutiger, brutaler Krieg. Schon über vier Millionen Flüchtlinge haben das Land verlassen. Welche Auswege gibt es?

1 Tyrannenmord: Putin verliert Macht /Aufstand in Russland

Russischer Rückzug. Das UN- Gericht in Den Haag hat drei Wochen nach der Invasion angeordnet, dass Russland sofort die militärische Gewalt in der Ukraine beenden muss.

Völkerrecht und bilaterale Verträge hätten einen Angriff gar nie erlaubt. Trotzdem kam es zum Krieg. Denn der russische Präsident Wladimir Putin gab den Befehl zum Angriff. Könnte es ein Attentat auf Putin geben?

"Eine Palastrevolte halte ich derzeit für sehr unwahrscheinlich", sagt Russland-Experte Professor Gerhard Mangott. Putin könne seinen drei Stützen -Militär, Polizei, Geheimdienst -noch trauen.

"Ein Aufstand gegen den russischen Präsidenten ist ebenfalls unwahrscheinlich", meint Mangott. Denn ein Großteil der Bevölkerung stünde noch hinter dem Krieg (der in Russland militärische Spezialoperation heißt).

2 Russlands Ziele erfüllt: Die Ukraine wird neutral

Diplomatisches Ende. Einen "Tyrannenmord" schließt auch Oberst Markus Reisner vom Bundesheer aus: "Die Russen sind in der Vergangenheit in Krisen immer zusammengerückt." Durchaus möglich wäre eine diplomatische Lösung.

Weitreichende Ziele. Russland-Experte Mangott benennt die Ziele der Russen so: "Neutralität der Ukraine. Demilitarisierung. Es muss keine völlige Entwaffnung sein. Bestimmte Restriktionen bei Waffensystemen oder Truppenstärke sind wahrscheinlicher." Weitere Ziele sind die Zugehörigkeit der Krim zu Russland und die Unabhängigkeit der Volksrepubliken Donezk und Luhansk.

Die "Denazifierung" ist derzeit nicht mehr so prominent, analysiert Mangott. "Sie war ein Chiffre für das Ende der jetzigen Regierung." Falls Selenskyj der Verhandlungslösung zustimmt, könnte er Präsident bleiben. "Er muss diese Einigung aber auch gegenüber dem Parlament durchsetzen können", merkt Mangott an. Scheitert die diplomatische Lösung, würden die Russen die militärische Lösung suchen. Viele ihre Ziele seien unverhandelbar

3 Der Krieg wird bestialisch, lange und zerstörerischer

Krieg wird immer brutaler. Die ursprüngliche Idee der Russen, in ein bis drei Wochen ihre "Militäroperation" durchzuziehen, ist nicht geglückt, sagt Oberst Reisner. Der Widerstand der Ukrainer ist nicht zuletzt deswegen so erfolgreich, weil sie massive Unterstützung durch die USA bekommen, etwa im Bereich der Auf klärung. Die Russen setzen allerdings nicht ihr ganzes Waffenarsenal ein. Wenn sie das täten, würden noch viel mehr ukrainische Zivilisten sterben. Kommen sie zu langsam vorwärts, könnten sie immer brutaler vorgehen und reihenweise ganze Städte vernichten.

4 Andere Länder werden in den Krieg hineingezogen

NATO greift ein. Jens Stoltenberg, der NATO-Generalsekretär, geißelt die russische Invasion: "Sie haben gesagt, sie schonen Zivilisten. Jetzt töten sie sie. Wir fürchten, dass chemische Waffen eingesetzt werden." Trotzdem hält er derzeit an der Nicht-Einmischungsdoktrin des westlichen Militärbündnisses fest.

"Wenn Russen und Amerikaner aufeinander schießen, dann wäre das der Dritte Weltkrieg", hatte US-Präsident Joe Biden gewarnt. Falls NATO-Territorium angegriffen wird, ist ein Krieg aber unausweichlich. Russland will das verhindern, schießt mit Präzisionswaffen auf die Westukraine. Generalstabsoffizier Reisner hält aber eine überregionale Eskalation des Krieges, etwa ins Nachbarland Moldau, für möglich. Moldau ist nicht in der NATO.

5 Kernschmelze in einem AKW oder taktische Atombombe

Nukleare Eskalation. Die Ukraine hat fünf aktive Atomkraftwerke. Jedes davon benötigt Strom, um die Brennstäbe mit Kühlwasser zu versorgen. Fällt der Strom aus, dann droht eine Kernschmelze wie etwa 2011 in Fukushima. Mit Tschernobyl liegt nur 100 Kilometer von Kiew eine hochgradig strahlende Atomruine, deren Kühlsysteme Strom brauchen. Die Stromzufuhr wurde unterbrochen, konnte aber wiederhergestellt werden. Mittlerweile stabilisiert Europa das Stromnetz. Eine taktische Atombombe, abgeworfen über der Ukraine, wollen alle Experten ausschließen.  

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